Die Zuckerhüte von Guangxi – Xingping

von Edith

Die Zuckerhüte von Guangxi

Woran denkst Du, wenn Du diese Landschaft siehst, frage ich eine junge, österreichische Backpackerin. An Zuckerhüte, meint sie. Das ist es! Eine absolut passende Assoziation. Als hätten die Chinesen Rios Wahrzeichen einfach mal hundertfach kopiert. Tief in Chinas Süden an der Grenze zu Vietnam liegt die Provinz Guangxi, die berühmt für ihre kegelförmigen Karstformationen ist. Unwirklich und doch so real und nah streben sie dicht am Rande oder sogar inmitten der Städte und Dörfer empor.

„This Old Place“ – ein chilliges Zuhause

Wir überlegen lange, ob wir zunächst den Hotspot Yangshuo anpeilen oder doch lieber gleich ins kleinere und hoffentlich beschaulichere Xingping weiterfahren. Nach unseren Dali- Erfahrungen entscheiden wir uns für das vermutlich geringe Touristenmassen- Übel und landen im „This Old Place“, einem gemütlichen und atmosphärisch sehr entspannten Hostel, direkt am Ufer des Li- Flusses. Die Dachterrasse bietet den gigantischen Blick auf den Fluss in dessen Hintergrund die Karstberge ein fantastisches Panorama bieten.

Zugegeben, die fast schon romantische Stimmung, die hier aufkommen könnte, ist derzeit ziemlich getrübt von Baustellenlärm, der das gesamte Hostel umgibt. Beim Frühstück auf unserem Balkon etwa entdecken wir fast täglich die Baufortschritte des riesengroßen Gebäudekomplexes, der auf der gegenüberliegenden Strassenseite hochgezogen und, so spekulieren wir, irgendwann als Hotel dienen wird. Die Geräuschkulisse ändert jedoch nichts daran, dass wir in unserer Entscheidung Xingping anzusteuern bestätigt werden. Die Einblicke, die wir in den nächsten Tagen von Yangshuo gewinnen, bestärken sie vielmehr. Die Umgebung steht jener in Xingping in Nichts nach und wir denken weiterhin darüber nach, am Rand der Stadt für zwei Nächte abzusteigen, um das Umland zu erkunden. Der Innenstadtkern jedoch ist unbedingt zu meiden, zumindest was meine persönliche Meinung betrifft. Ein einziger, abschreckender Jahrmarkt aus buntem, kitschigen und lautem Touristennepp, fast unerträglicher als schon Dali.

Wie am Fliessband

Xingping ist eigentlich ein Dorf, dass seinen ländlichen Charakter zumindest in den frühen Morgen- und späten Abendstunden beibehält. Tagsüber aber fallen die chinesischen Reisegruppen hier ein und lassen sich von ihren Tourenführern mit Fähnchen vom Reisebusparkplatz wie die Ameisen zum Bootspier am Fluss schleusen, gleich unter unserem Balkon vorbei, wie am Fliessband. Es folgt eine Rundfahrt auf dem Li River, ein Ausblick vom 20 Yuan- Point, der seinen Namen erhalten hat, weil die Ansicht die Rückseite jener Banknote schmückt und anschliessend die obligatorische Souvenirschau in den hübschen Gassen des alten Viertels von Xingping. Zurück zum Bus und ade! Spätestens um sieben am Abend kehrt in Xingping wieder das dörfliche, geruhsame Leben ein.

In guter Gesellschaft

Nur wir, die ausländischen Touristen, müssen mal wieder gegen den Strom schwimmen. Es vergeht kaum ein Abend in den nächsten Tagen, an dem der Nachtwächter im Hostel nicht darauf wartet, dass die lauten, feucht- fröhlichen Runden der Fremden die Lobby endlich verlassen, damit er in sein kleines Himmelbett kriechen kann. Für uns sind die gemeinsamen Abendessen und anschliessenden Gespräche mit unterschiedlichen anderen Reisenden mal wieder eine große Bereicherung. Besonders geniessen wir die Gesellschaft von April und Darryn, einem kanadisch- neuseeländischen Pärchen, dessen Art des Reisens und die damit verbunden Träume und Lebenswünsche den unseren nicht ganz unähnlich sind. Eine hervorragende Basis für gute und intensive Gespräche.

Schweißtreibende Angelegenheiten

Die Umgebung von Xingping ist nicht nur wunderschön, es gibt hier auch viel zu entdecken. Aber warum gleich in die Ferne streben (sagt die Fernreisende :)), wenn wir Wand an Wand zum Lai Zhai Hill wohnen. Das Wetter ist verhältnismäßig gut an diesem Tag (diesig ist es hier meist und leider auch oft wolkenverhangen), was uns auf einen tollen Sonnenuntergang vom Gipfel des Karstkegels hoffen lässt. Die Angelegenheit ist schweißtreibend. Selbst für mich, die ich selten richtig tropfe. Stephan schaut aus, als habe er geduscht, als wir oben ankommen. Solche Problemchen treten in den Hintergrund, als wir die Spitze erreichen. Ein 360 Grad Panorama präsentiert sich, das uns mit großen, leuchtenden Augen die faszinierende Karstlandschaft Guangxis erblicken lässt. Die nebelverhangen Kuppen reichen weit ins Land hinein und wirken im Licht der Sonne wie eine Landschaft hoch über den Wolken.

Wir bleiben natürlich bis es fast stockdunkel ist, um die Szenerie bis zu Letzt auskosten zu können. Trotz Stirnlampe ist der Abstieg im Dunkeln eine kleine Herausforderung. Wie Pudding wabern die Beine und Stephans getrocknetes T-Shirt wirkt erneut, als sei er damit baden gegangen. Der Ort aber bietet eine solch fantastische Kulisse, dass wir es uns einige Tage später nicht nehmen lassen, den Hang ein zweites Mal bei Sonnenaufgang zu erklimmen.

Ich kann nicht umhin einen jungen Chinesen höflich zu bitten, seine Musik auszustellen, die mir in der Stille des anbrechenden Tages gewaltig auf den Zeiger geht. Er versteht und bemüht sich tatsächlich um Ruhe im Anblick der aufgehenden Sonne hinter den Zuckerhüten.

Fast ein Déjà- vu

Eine gute Möglichkeit den täglichen Besucherströmen Xingpings zu entfliehen, bietet die Erkundung der Umgebung mit dem Roller oder Fahrrad an. Und dabei ist mal wieder der Weg das Ziel: Einfach mal von den Hauptverkehrsadern abfahren und schauen, was uns begegnet oder, wer uns begegnet. Wir gelangen in einfache Dörfer und treffen auf freundliche Menschen, die sich richtig freuen uns zu sehen, die grüßen und winken, als wir durch die Orte sausen. Aber, wie soll es anders sein, auch Darryn und April fahren uns eines Nachmittags über den Weg und so streifen wir gemeinsam durch die grüne Landschaft Guangxis.

Mal wieder neigt sich die Fahrdauer unseres Scooters dem Ende zu. Diesmal haben wir einen Benziner, denken aber, der volle Tank vom Mittag reicht aus, um wieder zurück zu gelangen. Leider nein! Die nächste Tankstelle ist weit entfernt. Was sollen wir also tun, als stumpf weiter zufahren und zu hoffen, dass uns jemand im nächsten Dorf eine Flasche Sprit verkauft. Im Zweifel müssen wir aus Darryns Tank ein Schlückchen absaugen. Aber das Glück ist mit uns. Schon im ersten Haus in einem kleinen Ort, in dem wir anfragen, erhalten wir eine Tankfüllung und können die frühen Abendstunden mit unseren beiden Gefährten mit Blick auf Fluss und Berge ausklingen lassen.

Der Weg ist das Ziel

Ich bin mal wieder heiss aufs Wandern und Spazierengehen. Und auch hier bestätigt sich unser Leitspruch: Der Weg ist das Ziel. Weder das angepriesene Fischerdorf, noch der Fähranleger bei den Nine Horses am Li- Fluss sind einen Besuch wert. Tourinepp hoch zehn. Die Aussicht, die sich uns nach einer völlig einsamen und stillen Wanderung durch die Berge vor dem Abstieg zum Fischerdorf auf die Landschaft präsentiert, ist wunderschön. Das Dorf selbst am Fusse des Berges ist alles andere als repräsentabel. Nur ein paar unspektakuläre Strassen und Souvenirstände finden wir hier. Gigantischer aber erleben wir die Landschaft bei unseren Spaziergängen direkt am Fluss, wo riesige Bambuspflanzen das Ufer säumen. Die meterhohen Gewächse flüstern uns geradezu ins Ohr. Ganz ohne Wind geben sie raschelnde und knisternde Geräusche von sich, die eine mystische und unheimliche Stimmung erschaffen. Der Fussweg am Fluss ist kaum bevölkert, da die meisten Touristen sich die hohen Felsmassive entlang des Gewässers lieber von Schiff aus ansehen. Entsprechend geniessen wir den Ausflug bis wir am Ziel des Spaziergangs wieder in die Fänge der Schlepper gelangen und schnell den Rückzug antreten.

Deutsch- niederländische Freundschaft

Die Gegend um Xingping und Yangshuo herum ist bekannt für ihre Kormoranfischer. In vergangenen Zeiten sind die Fischer mit ihren Vögeln auf Bambusflössen auf dem Fluss unterwegs gewesen. Die Tiere jagen die Fische mit ihrem Hakenschnabel und bringen damit den Fang ein. Heute sind zwar noch zahlreiche Bambusboote auf dem Li unterwegs, ob es aber tatsächlich noch irgendwo den traditionellen Fischfang gibt, bezweifele ich.

Und dennoch ist die Art und Weise so interessant, dass wir uns mit Hilde und Guido zusammentun, um das touristische Spektakel erleben zu dürfen und sind durchaus fasziniert. Das Paar stammt aus den Niederlanden, lebt und arbeitet aber in Hamburg und macht gerade Urlaub in China. Obwohl wir grundsätzlich sehr unterschiedlich zu sein scheinen, funkt es zwischen uns. Folglich verbringen wir viel Zeit mit den Beiden und geniessen spannende und richtig schöne Tage gemeinsam.

Eine Bootsfahrt die ist lustig

Und die Szenerie des Yulong- Rivera nahe Yangshuo trumpft auf, um eine solche zu unternehmen. Der Fluss schlängelt sich fast idyllisch durch Reisfelder, im Kontrast hierzu streben die hohen Karstkegel am Horizont empor. Die vielen Bambusflossfahrten- Anbieter und einige Unterkünfte können die Idylle aus meiner Sicht nicht wirklich trüben. Natürlich tummeln sich auch hier die Touristen, aber die Schönheit und Entspanntheit, die diese Landschaft dennoch ausstrahlt, lässt sich nicht leugnen.

Eigentlich planen wir einen weiteren Ausflug hier zu machen, um eine Bootsfahrt auf dem Yulong zu unternehmen. Warum wir letztlich doch die Variante auf dem Li- Fluss mit einem motorbetriebenen und entsprechend lauteren Floss wählen, ist eine andere Geschichte. Sie steht meinen Vorstellungen aber in Nichts nach. Wir schippern durch ein Tal aus schroffen, steilen Felsen, die im Abendlicht eine unglaubliche Kulisse bieten. Passieren wir die Flussbiegungen, erstrahlen immer wieder neue und fabelhafte Zuckerhutlandschaften vor dem Hintergrund des roten Abendhimmels.

Leben statt Abklappern

Trotz der Touristenwellen, die Xingping am Tag bevölkern, fühlen wir uns am Ort sehr wohl. Längere Zeit vor Ort zu bleiben führt uns zurück zu unserem Ziel, langsam zu reisen. Wir sind nicht mehr nur Touristen, sondern leben kurze Zeit im Ort. Mein morgendlicher Gang zum lokalen Markt gehört schon bald ebenso zur Tagesroutine, wie das Abendessen in der Strassenküche von Chen Su Li. Wir geniessen das leckere Essen ebenso, wie das Leben unter Einheimischen.

Chen Su Lis Mutter und ihr Mann umsorgen uns aber dennoch ein wenig mehr als die anderen Gäste, einfach, weil sie sich zu freuen scheinen, dass wir ganz bewusst sie und ihre Küche wählen und dies auch konsequent über viele Tage weiterführen.

Planänderung- wir bleiben länger, als gedacht

Viele Tage bedeutet zu guter Letzt aber, dass wir weitaus länger als die geplanten 1 1/2 Wochen im Ort verweilen. Wir entscheiden, dass wir die Reisterrassen im Norden Guangxis kippen und Yanshuo nur für zwei Nächte mit kleinem Gepäck besuchen. Unsere Basis möchten wir in Xingping behalten, bevor wir zurück nach Yunnan und von dort nach Laos ausreisen möchten. Natürlich kommt alles anders. Wir sind immer noch hier. Die Pläne haben sich geändert. Von der Erfahrung, Hinweisschildern besser Folge zu leisten und einem Einblick in das chinesische Gesundheitswesen dann mehr im nächsten Bericht…

Hier geht es weiter.

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3 Kommentare

Achim 28. Oktober 2016 - 6:06 pm

Da müsst Ihr so weit fahren, um Euch mit Holländern anzufreunden 😉 Nein, im Ernst. Mal wieder ein tolle Bericht und fantastische Bilder. Und offenbar keine Tuk-Tuk-Mafia, was mich für Euch freut.

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Hofmeister 29. Oktober 2016 - 7:17 am

Wieder ein toller Abschnittsbericht mit geschmeidiger Berichterstattung. Mann fühlt das erlebte.
Weiterer Gruß Gerd

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Petra Martischewski 1. November 2016 - 9:54 pm

Die Karst-Kegel-Berge sind ja unglaublich. So was habe ich noch nie gesehen! Toller Bericht, danke!

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