Naadam – Die drei männlichen Spiele

von Edith

Der Winter naht

Während der ersten drei Wochen unserer Reise, habe ich mich ernsthaft gefragt, wie ich auf die Schnapsidee kommen konnte, vehement für warme Kleidung zu plädieren, als wir zuhause über unsere Ausrüstung diskutiert haben. Lange Unterwäsche, eine Daunenjacke, Fellsohlen und natürlich ein richtig dicker Fleece müssen mit. Spätestens seit wir in den mongolischen Norden gekommen sind, weiß ich um den Ursprung meiner Argumente. Die Nächte sind kalt und auch tagsüber ist es mitunter unangenehm frisch. Schneller Wetterumschwung zwischen warmen Sonnenschein, Wind und starken Regengüssen ist hier nicht ungewöhnlich. Ich bin froh, wenn abends der Ofen im Ger angeheizt wird und glücklich, wenn morgens schon jemand das Feuer entfacht hat, bevor ich selbst aufstehe. Doch eines Abends scheint die Welt unterzugehen. Dicke Hagelkörner prasseln zu Boden und lassen unsere Wiese wie eine weiße Schneedecke zurück. Der Himmel ist ein einziges Grau und die Temperaturen sinken rapide. Jetzt sind selbst die sonnigen Abende eisig. Der Winter naht.

Im Sumpf

Das soll uns aber nicht davon abhalten, bei strahlendem Sonnenschein die Umgebung weiterhin zu erkunden. Während einer Wanderung zum anderen Ufer des Sees, wird uns die scheinbar unendliche Weite dieser Landschaft mal wieder bewusst. Die Distanzen verschwimmen. Vieles erscheint so nah, ist aber tatsächlich ziemlich weit entfernt. Der glasklare See und die dahinter aufsteigenden, mittlerweile schneebedeckten Berge unterstreichen die gewaltige Schönheit dieser Region.

Wir mieten uns ein Motorrad. Die Pisten sind mit extremen Schlaglöchern und Bodenwellen ausgestattet. Die Tour erinnert sehr an unsere Fahrt nach Tsagaanuur. Ich muss mich gut festhalten, um nicht vom Bike zu fallen. Nahe des Sees kommen wir in den Genuss der Auenlandschaft. Und stecken alsbald in Mitten des Sumpfes fest. Das Motorrad säuft ohnehin regelmäßig ab und lässt sich nur schwer starten, dazu eine Buckelwiese, die hoch voll Wasser steht. Unsere Muskeln spannen sich, die Schuhe sind nass, der Schweiß läuft. Das kann uns heute nicht die Laune verderben. Die Sonne strahlt vom fast wolkenlosen Himmel. Der See liegt kristallklar und blauschimmernd vor uns.

Die drei männlichen Spiele- das Naadam

Ausserdem kommen wir an diesem Tag in den Genuss eines Mini- Naadam- Festivals auf dem Land nahe Khatgal. Der Begriff Naadam (mongolisch für Spiel oder Wettbewerb) geht auf die Umschreibung „Eriin Gurwan Naadam“ zurück, was soviel bedeutet wie „die drei männlichen Spiele“. In den Disziplinen Bogenschiessen und Pferderennen treten entgegen des Namens auch Frauen im Wettkampf an. Das Ringen als dritte Turnierkategorie ist dem männlichen Geschlecht vorbehalten. Von Kinderbeinen an messen sich die Mongolen in diesen drei traditionellen Sportarten miteinander.

Von Mitte Juli bis Mitte August finden im ganzen Land größere und kleinere Naadams statt. Auf einer Wiese mitten im Nichts sind einige Zelte aufgebaut, Verkäufer haben ihre Decken auf dem Boden ausgebreitet. Es gibt Essen und Getränke, zudem werden Kleidungsstücke, Schmuck u.ä. feil geboten. Einfache Holzbänke umzingeln eine kleine Arena, in der die Ringer ihren Wettkampf austragen.

Von aussen betrachtet sehr konfus und verwirrend, weil immer mehrere Kämpfe gleichzeitig stattfinden. Die Kampfrichter krönen die siegreichen Männer, indem sie diesen traditionelle Mützen aufsetzen. Daraufhin stellen die Sieger ihre muskelbeladenen Körper in knappen, rüschen- und spitzenbesetzten Höschen und Bolereos der Menge zur Schau.

Zuvor sind bereits zwei Riegen der Reiter ins Ziel gespurtet. Gewichtsklassen gibt es hier ebensowenig wie bei den Ringern. Für das Pferderennen werden daher meist Kinder ausgesucht, die über die entsprechende Leichtigkeit verfügen.

Neben den zivilen Gästen des Naadams, wird das Spektakel von einer Gruppe Offizieller begleitet, die mit ihren Schirmmützen und in den Uniformen doch sehr an militärische Machthaber anderer asiatischer Länder erinnern.

Die moderne Mongolei und Livemusik

Der Kontrast zu den letzten Wochen auf dem Land erwartet uns in UB. Gemeinsam mit Isabelle (die wir noch aus der Transsib kennen) und einem mongolischen Freund, Massaki, besuchen wir eine Livemusik- Bar. Die Besucher des Lokals, selbst wenn sie vom Land kommen sollten, scheinen sich von der westlichen Welt nicht zu unterscheiden- tanzen, Freunde treffen, gemeinsam was Trinken gehen. Massaki selbst ist in UB aufgewachsenen und scheint mit den Traditionen der Mongolei wenig in Kontakt zu kommen und auch nicht zwingend kommen zu wollen. In der Bar findet ein Open Stage statt, wo Nachwuchsmusiker ihre eigenen oder gecoverten Songs zum Besten geben können. Zudem scheint die Bar der Anlaufpunkt für berühmte mongolische Bands zu sein. Wir hören die „Tourists“ und eine weitere Gruppe, deren Namen ich vergessen habe, die aber von kreischenden Fans bejubelt wird. Nicht zuletzt sehen und hören wir Massaki selbst, der mit seinem Bruder zusammen performt. Ein gelungener letzter Abend in der Mongolei, der uns den Kontrast im Leben der Menschen dieses Landes deutlich vor Augen geführt hat.

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1 Kommentar

Frank 31. Oktober 2018 - 10:53 pm

Danke. Klasse Bericht.

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