Warten auf das Visum oder das große Schlemmen in Chengdu

von Edith

Warten auf das Visum in Chengdu

Chengdu hat angeblich die höchste Restaurantdichte weltweit und hat den Titel „Stadt der Gastronomie“ von der UNESCO erhalten. Davon lassen wir uns nicht leiten. Und dennoch sind die Highlights während unseres Aufenthaltes hier oft eng mit dem Essen verbunden. Aber von vorne. Wir stellen uns auf einen anstrengenden Aufenthalt in Chengdu ein, der Provinzhauptstadt Sichuans mit einer (uns graut davor) Einwohnerzahl von mehr als 5 Millionen Menschen.

Aber wir müssen ja nunmal unsere Visa- Verlängerung beantragen, möchten wir denn dieses Land noch einige Wochen bereisen. Dafür ist längeres Warten auf eine hoffentlich positive Resonanz angesagt. Eigentlich, so hören wir, ist das mit der Verlängerung kein Problem. Aber das schöne Wort „Willkür“ ist uns im Zusammenhang mit Visa- Angelegenheiten auch schon begegnet. Man weiß also nie. Glücklicherweise haben wir das ultimative Backpacker Hostel gefunden und fühlen uns sauwohl zwischen gemütlichen Sitzecken, chilliger Musik und anderen, echt netten Reisenden. So ergibt es sich schon am Tag unserer Ankunft, dass wir einen super schönen Abend mit Helen und Alex aus London verbringen. Die beiden Briten sind auf Hochzeitsreise, allerdings open end. Eben so lange das Geld reicht…

Das erste große Schlemmen

Wir treffen Aurelia aus Litauen und Martin aus Südafrika wieder, die wir in Songpan kennengelernt haben. Martin arbeitet für ein Jahr als Mathelehrer an einer internationalen Schule. Aurelia besitzt eine eigene Tanzschule in Vilinus und wollte eigentlich nur über die Sommermonate u.a. in China reisen. Auf einer Party in Chengdu hat sie Martin kennengelernt und ist geblieben. Und so sitzen wir nun zusammen in einem „All you can eat“- Restaurant in der Shoppingmall einer großen Metrostation. Ein Restaurant und ein Ort, den ich mir sicher nicht aussuchen würde. Weder hier noch in Deutschland. Es gibt einen Mix aus BBQ und traditionellem Sichuan Hotpot. Bei einem klassischen Hotpot ist der große Topf mit Brühe in der Mitte des Tisches eingelassen und alle Esser tauchen ihre Spieße, das Gemüse, den Tofu und was es sonst noch gibt hinein. Wir haben jeder einen kleinen Topf, die Fläche in der Mitte wird zur heissen Grillplatte.

Sichuan ist bekannt für seine Schärfe, allem voran dem Anispfeffer. Die Brühen des Hotspots können entsprechend mild, mittel oder scharf bestellt werden. Mild reicht definitiv! Obwohl ich wegen des Ortes und dem ganzen „all you can eat“- Kram sehr skeptisch bin, lasse ich mich positiv überraschen. Es ist super lecker. Wir schlemmen was das Zeug hält- das große Schlemmen- eben- und werden irgendwann als letzte Gäste aus dem Restaurant heraus gekegelt.

Das zweite große Schlemmen

Auch hier sind Aurelia und Martin unsere Begleiter. Oder vielmehr begleiten wir die Beiden zu ihrem Lieblingsspeiseplatz in Chengdu. Diesmal zeigen uns die beiden Einheimischen, wie sie sich selbst mit einem Lächeln und Augenzwinkern nennen, einen Ort im Westen Chengdus, dessen dargebotene Köstlichkeiten uns das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen.

Hier gibt es die herrlichsten Gerichte. Die Menschen sitzen an kleinen Tischen auf der Strasse und geniessen die Sichuan- Küche. Hotpot, Fischpfanne, scharfe Bratkartoffeln, Suppen, Dumplings, Spiesse und, und, und… Wir wissen gar nicht, wo wir anfangen sollen und erleben einen zweiten, sehr schmackhaften Abend.

Die Sache mit dem Visum

Erstaunt, wie geregelt alles zu laufen scheint (wir ziehen sogar Nümmerchen) und wie gut alle Angestellten im PSB (das Police Security Bureau, dass u.a. für verschiedenste Angelegenheiten von Ausländern zuständig ist) englisch sprechen, beantragen wir die Verlängerung unseres China-Visums. Der junge Beamte ist freundlich und entgegenkommend. Gesten und Worte besagen eindeutig, dass wir uns mal keinen Kopf machen sollen. Als Abholtag ist der 27.09. angegeben. Einen Tag bevor wir das Land andernfalls verlassen müssten. Also sehr knapp. „Nein, nein“, teilt uns der nette Mann mit. Wir sollen ruhig schon Ende der Woche kommen, das klappt schon. Voller Zuversicht, aber ohne jegliche Garantie, verbummeln wir also die nächsten 5 Tage und öffnen voller Spannung unsere Pässe, als wir sie wieder in der Hand halten. Und natürlich: We got it! Visa- Verlängerung bis Ende Oktober, d.h. fünf volle Wochen Zeit, um den Süden Chinas zu erkunden.
Der Grund, warum wir nicht sofort ein 60- Tage Visum in UB beantragt haben, soll hier aber noch einmal zur Sprache kommen. Denn es verdeutlich, wie wohl wir uns in China fühlen. Im Hinblick auf „hate it or love it“ ist der Pegel bei uns definitiv in die positive Richtung ausgeschlagen. Das wussten wir natürlich vorher nicht. Und da ein 60 Tage- Visum einfach mal viel teurer ist, wollten wir das Risiko nicht eingehen hierfür zu zahlen, um das Land dann nach kurzer Zeit wieder zu verlassen. Ob unser Gefühl anhält, ist unklar. Wir befinden uns am Wendepunkt des Aufenthaltes, denn wir reisen weiter in Richtung Süden. Während der westliche Part oft sehr an die Mongolei erinnert, tibetisch geprägt und zudem oft kalt ist, wird die Landschaft und hoffentlich auch das Klima komplett anders sein. Inwiefern sich Mentalität und Charakter der Menschen so sehr verändern, dass unser Eindruck sich völlig verändern könnte, bleibt offen.

Wiedersehen macht Freude

Mit Helen und Alex erst recht. Die beiden Briten waren ein paar Tage am Emeishan und kehren zum Verkehrsknotenpunkt Chengdu und somit auch ins Hostel zurück. Auch wir hatten vor den heiligen Berg zu besuchen, haben aber schon vor der Ankunft der Beiden, unsere Pläne spontan über den Haufen geworfen. Aus ihrer Sicht eine gute Entscheidung, da das Wetter ziemlich schlecht ist.

Den Abend verbringen wir mit einigen Reisenden im Hostel und lernen hier erneut die Zubereitung von Dumplings. Eine filigrane Arbeit mit der ich mich schon bei Lamutschi und Taji, den beiden tibetischen Nomaden in Langmusi, schwer getan habe. Aber sie schmecken und wir bleiben dem Leitsatz treu, dass in Chengdu das große Schlemmen stattfindet.
Ein Wiedersehen gibt es zu guter Letzt auch mit Aurelia und Martin am Abend vor unserer Abreise aus Chengdu. Nachdem wir uns erneut der guten Küche der Stadt zugewandt haben, führen uns die Beiden in einen Schickimicki- Lifestyle- Laden. Alles ziemlich edel. Wir sind hier wohl die am schlichtesten angezogenen Menschen. Das junge, hippe chinesische Publikum scheint zudem richtig Kohle zu haben. Umgerechnet kostet ein Tisch, nur um daran sitzen zu dürfen, über 50€, ein einfaches Bier fast 5€, die Preise der schmackhaft aussehenden Cocktails möchte ich mir gar nicht vorstellen. Aber die Bar trumpft mit einer guten Live- Coverband auf. Die kanadische Gruppe hat einen Jahresvertrag im Club und tritt hier an sechs Abenden in der Woche auf (nachdem sie u.a. schon in Marokko, Dubai und der Mongolei unterwegs waren). Die Band hat´s drauf das Publikum für sich zu gewinnen. Das chinesische Jungvolk (und einige wenige Ausländer) schreit, singt und springt auf den Tischen.

Fast wie Zuhause

Und auch dieses letzte Kapitel sei dem Essen gewidmet. Nach einer Woche im gleichen Backpacker und dem Genuss täglich ausgiebig frühstücken zu können, wissen wir, wo es unsere Lieblingsspeisen gibt. Und so ist es schon eine Freude, wenn ich morgens die frischen Lebensmittel in der Markthalle und den kleinen Restaurants kaufen gehe. Das Schöne ist, dass es fast wie zu Hause beim Bäcker um die Ecke ist. Hier weiß unsere Bäckersfrau genau, welches Brot wir bekommen und reicht es wortlos über die Ladentheke. Und auch in Chengdu muss ich schon jetzt nicht mehr als „Guten Tag“ sagen. Was ich haben möchte, packen die lächelnden Verkäuferinnen schon in die Tüte

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