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Immer anders als man denkt
Irgendwie haben wir uns das ja ein bisschen anders vorgestellt mit dem langsamen Reisen und den längeren Zeiten, die wir an einem Ort verweilen möchten. Am Alltag der einheimischen Bevölkerung möchten wir teilhaben, ins Leben eintauchen, die Atmosphäre eines Ortes aufsaugen. Eigentlich setzen wir genau dieses Vorhaben mal wieder um, nur eben unter etwas anderen Umständen. Wir bleiben länger als gedacht in Xingping. Wir canceln den Zug nach Kunming. Wir ändern die Reiseroute. Aber von vorne.
Ein feucht- fröhliches Fischen
Es ist ein schöner Abend mit Guido und Hilde. Wir fahren gemeinsam zum Kormoranfischen auf den Li- Fluss und bringen den „großen“ Fang von sage und schreibe vier Fischen zu Chen Su Li mit der Bitte diesen auf dem Grill für uns zuzubereiten.
Diesem Wunsch kommt sie nach und füllt zudem unsere ausgehungerten Mägen mit köstlichem Gut aus ihrer kleinen Strassenküche. Das hat zur Folge, dass am Ende des Mahles ein kleiner Absacker ansteht. Guido und Stephan finden Geschmack daran.
Und auch der eine oder andere Einheimische. Und so zelebrieren sie das ausklingende Abendessen bis die beiden Flachmänner restlos aufgeschlürft sind. Bis uns die Augen zufallen verbringen wir den Rest des Abends mit den beiden Niederländern auf der Dachterrasse unseres Hostels. Bis hierhin also ein rundum amüsanter Abend.
Ein schmerzhafter Sturz…
Treppenstufen, nicht ganz der Norm entsprechen und etwas höher, dazu gefliest mit sehr glatter Oberfläche sind zusammen mit immer feuchten Schuhsohlen vom stetig nassen Badboden ein nicht ganz ungefährlich. Die Kombination mit Flip Flops und einer verlangsamten Reaktionsfähigkeit lädt aber geradezu ein, aus widrigen Umständen eine folgenschwere Situation heraufzubeschwören. Der Flip Flop rutscht an der Treppenkante weg. Herr Mink ist schlaf- und schnapsbedingt noch langsamer unterwegs, als dies seinem Wesen ohnehin entspricht, und kann sich nicht schnell genug am Treppengeländer oder auf den Stufen abstützten. Ergo: Er stürzt mit voller Kraft auf seinen Rücken. In mir löst der schmerzerfüllte Ausruf die Sorge aus, es könnte etwas gebrochen sein.
…und seine Folgen
Aber Stephan, ganz Mann, rappelt sich hoch, verzieht das Gesicht und meint, es ginge schon. Ich bin unruhig, weniger der Schmerzen wegen als vielmehr, weil ich mir schon Gedanken darüber mache, was er sich im Inneren verletzt haben könnte. Ob wir nicht zu einem Arzt gehen sollen. Jetzt gleich. Nein. Erstmal schlafen. Die Nacht vergeht ohne Zwischenfälle. Der Morgen verläuft routiniert. Ich verabschiede mich und gehe zum Frühstück kaufen auf den Markt. Bei meiner Rückkehr wandelt sich die gute Morgenstimmung. Herr Mink muss ins Krankenhaus. Er habe nicht nur gewaltige Schmerzen, es habe beim Duschen so stark geknackt, dass er nicht sicher ist, ob nicht vielleicht doch eine Rippe gebrochen ist.
Einblicke ins chinesische Gesundheitswesen
Xingping, Yangshuo oder doch Guilin? Wo gibt es denn überhaupt ein Röntgengerät? In Xingping jedenfalls nicht. In Yangshuo werden die Ärzte kein Englisch sprechen, meint unser Rezeptionist. Guilin ist aber im Angesicht der Schmerzen, die Stephan hat, zu weit weg. So begeben wir uns also langsamen Schrittes zur Busstation und fahren ins Krankenhaus von Yangshuo. Kaum anders als erwartet blicken wir auf einen ziemlich heruntergekommenen Kasten, in dessen Innerem die hygienischen Bedingungen äusserst fragwürdig sind. Wobei das Foto nur die Besuchertoilette zeigt…
Die „Untersuchung“
Egal. Wir kommen an und finden nach kurzer Suche eine Ärztin, die ein paar Wörter Englisch spricht. Fünf Minuten später ist Stephan „untersucht“ und wird zum Röntgen geschickt. Untersuchung nennt es sich, wenn die Ärztin aufgrund seiner Beschreibungen zweimal auf der schmerzenden Stelle herum drückt. Das Röntgen verläuft unkompliziert und geht ebenso fix.
Zurück zu Frau Doktor. Nichts gebrochen, vermutlich eine Rippenprellung, auf Wiedersehen! Äh, Moment mal! Was er denn tun oder lieber lassen solle. Liegen, sich bewegen oder ausruhen, sitzen oder lieber spazieren gehen? Und wie wärs mit Schmerzmitteln? Ob er die denn bräuchte, fragt die junge Frau. Auf jeden Fall, meint der alte Mann. Freundlich, aber zackig wird das Rezept geschrieben und wir werden hinaus komplementiert. Der ganze Spass kostet uns rund 15 €, quasi ein Schnäppchen.
Umdenken ist gefordert
Nun denn, wir wollen ja ohnehin in Xingping bleiben, auch wenn uns jetzt natürlich gar nichts anderes übrig bleibt. Und, ja, die Unternehmungsmöglichkeiten reduzieren sich nun auch auf ein Minimun, zumindest für Stephan. Entspannen und Liegen sind seine Hauptbeschäftigungen. Wie lange die Schmerzen anhalten werden, ist schwer zu sagen. Prellungen seien oft langwieriger und schmerzhafter als gebrochene Rippen, erfahren wir. Eigentlich wollen wir in knapp zwei Wochen in den hohen Norden von Laos, um dort zu trekken. Möglicherweise schwierig. Also Umdenken! Wir schmieden Pläne, wie es im „Worst Case“ überhaupt gelingen kann mit dem großen Rucksack weiterzureisen.
Und reisen müssen wir, denn in eineinhalb Wochen läuft das China- Visum ab. Eine zweite Verlängerung ist ziemlich unwahrscheinlich, in Yangshuo stellt das PSB definitiv keine aus. Also warten und hoffen! Dass es keinen Sinn macht zum Wandern nach Laos einzureisen, ist aber schnell klar. Also stornieren wir nach langen Überlegungen den Zug zurück nach Kunming und entscheiden, zunächst nach Vietnam zu fahren.
Ein Dank an Dr. W. aus Köln
An dieser Stelle sei nun auch endlich mal Dr. W. aus Köln genannt, dem wir zu großem Dank verpflichtet sind. Nicht zum ersten Mal auf einer Reise kümmert er sich um die gesundheitlichen Belange Stephans aus der Ferne und steht via WhatsApp mit Rat und Tat zur Seite. Auf seine Empfehlung hin konsultieren wir zur Verlaufskontrolle einige Tage später noch einmal den Arzt. Diesmal fahren wir ins internationale Krankenhaus von Guilin. Stephan kann sich schon wieder besser bewegen, also durchaus machbar. Was uns hier erwartet ist schon eine ganz andere Nummer als in Yangshuo. Zugegeben, Stephan wird hier direkt als Privatpatient behandelt, ohne irgendetwas anzugeben. Er ist schliesslich Ausländer und wird am Ende des Tages seine Rechnung bezahlen müssen. Wir werden ratzfatz auf die Privatstation geschleust, wo die Untersuchung in einem (für chinesische Krankenhausverhältnisse) schicken Doppelzimmer, sogar mit eigenem Bad, stattfindet. Die Krankenschwester spricht gutes Englisch und übersetzt dem jungen Arzt, der sich Zeit für eine ausführliche Untersuchung nimmt.
Der Privatpatienten- und Ausländerbonus
Es folgt ein Röntgen zur Kontrolle und ein Ultraschall, um innere Verletzungen auszuschliessen (fünf Tage später wäre die Erkenntnis wohl ohnehin zu etwas zu spät). Eine Krankenschwester wird eigenes für uns abgestellt, begleitet uns durch den riesigen Gebäudekomplex und organisiert sämtliche To Do´s für den Patienten.
Ob wir wirklich nur bevorzugt werden, weil wir privat versichert sind oder, ob der Ausländerstatus hier nicht doch eine wesentliche Rolle spielt, fragen wir uns spätestens, als Stephan als Erster in einer sehr langen Reihe Wartender in den Röntgensaal geführt wird. Aber, wenn wir ganz ehrlich sind, pfeifen wir in solchen Momenten auch auf das hehre Ideal der Gleichberechtigung und sind froh, dass wir nicht zwischen die Mühlen des staatlichen Gesundheitssystems gelangen. Die toughe und sehr kompetent wirkende Krankenschwester gesellt sich, zurück im Krankenzimmer, wieder zu uns und gibt Entwarnung. Es ist nach wie vor kein Bruch zu sehen, was manchmal wohl nicht direkt zu erkennen ist, die Leber ist heil, die Schmerzen werden vergehen.
Ausklang in China
Stephan spaziert schon wieder ganz passabel durch die Strassen und äußert bereits seine Ideen, wie wir die nächsten Tage wieder gemeinsam gestalten könnten. Definitiv ein gutes Zeichen. Und damit ein Lichtblick am Horizont, der hoffen lässt, dass die Phase der Genesung bis zur Schmerzfreiheit schneller verlaufen könnte. Die letzten Tage in Xingping und somit auch in China, verbringen wir jedenfalls gemeinsam wieder sehr viel aktiver. Sogar eine kleine Wanderung und eine letzte Rollertour ins Umland ist drin. Sehr zu meiner Freude, denn das Rollerfahren musste ich mit mir alleine leider hinten anstellen. Dafür habe ich dann doch noch nicht genügend Fahrstunden für einen Benzinmotorroller bei meinem Fahrlehrer absolviert- und der ist ja gerade krank geschrieben. Unser langes Verweilen am Ort führt ausserdem dazu, dass wir ein weiteres Mal auf Alex und Helen treffen und mit Fedi, der jungen Österreicherin, und den beiden Briten den China- Aufenthalt genüsslich ausklingen lassen.
Zàijiàn China!
Wir lieben China! Und, wie in jeder innigen Partnerschaft gehört es auch dazu, manchmal ganz schön vom anderen genervt zu sein. Ja, die Massentourismus- Horden, die hohen oder völlig unangebrachten Eintrittsgelder, die ekligen, Nasehochzieh- und Rumrotzgeräusche und die katastrophalen Tischmanieren bringen uns immer wieder an die Grenzen unserer Toleranz. Aber viel überzeugender sind die freundlichen und hilfsbereiten Menschen, die uns gegenüber soviel Herzlichkeit ausstrahlen, ist die grandiose Natur, sind die kleinen Einblicke, die wir in dieses Land und dessen Kultur gewinnen dürfen. Und natürlich hat uns die Sucht gepackt: Das chinesische Essen ist ein Traum!
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2 Kommentare
Als erfahrene China-Reisende muss ich doch nun wiederholt den Kopf schütteln über das, was Ihr schreibt. Woher wisst Ihr, dass die Eintrittsgeelder überhöht oder nicht angebracht sind? Naja, scheint bei Euch wohl sehr ums Geld zu gehen. Und Tisch Manieren? Das ist doch wirklich Ansichtsache. Kennt Ihr den Spruch von Martin Luther nicht? „Warum schmatzet und rülpset Ihr nicht? Hat es Euch nicht geschmecket?“ Deutsche Tisch Manieren vor noch gar nicht so langer Zeit!
Ich glaube, Ihr müsst noch ein wenig an Eurer Toleranz arbeiten.
LG
Ulrike
Sorry, das musste jetzt mal raus.
Liebe Ulrike,
danke für Deinen Kommentar. Wie Du vielleicht gelesen hast, hat uns China sehr gut gefallen. Und wir werden nicht die letzte Reise dorthin unternommen haben. Zugegeben, wir haben Deinen Reiseblog nicht gelesen. Aber gehen mal davon aus, dass auch Du Deine persönliche Meinung und Deine Erfahrungen hier einfliessen lässt. So machen wir es auch, respektieren aber auch, wenn jemand anderer Meinung ist. Es ist beeindruckend, wenn jemand, der viele Jahre reist, unabhängig wohin, nur und ausschliesslich positive Gefühle mit mit dem Land und den Menschen in Verbindung bringt. Aus unserer Sicht ist es sehr menschlich, auch für sich selbst negative Empfindungen mit Erlebnissen und Erfahrungen zu assoziieren. Toleranz ist ein zentraler Begriff, an dem jeder von uns arbeiten sollte. Darüber hinaus finden wir es aber auch wichtig, ehrlich zu uns selbst zu sein. Dazu gehört eben auch, negative Emotionen aussprechen zu dürfen. Auch, wenn diese nicht jedem gefallen. VG