Ob das äthiopische Volk eines der gastfreundlichsten ist, welches wir auf unseren Reisen kennengelernt haben oder, ob wir über die Jahre offener und begieriger geworden sind, die Menschen in den Ländern, die wir besuchen, besser kennenzulernen, sei dahin gestellt. Ein Grund, weshalb wir in Gorgora den wunderbaren und freundlichen Menschen näher kommen durften, ist ganz sicher unser verhältnismäßig langer Aufenthalt vor Ort. Gorgora wird den meisten Touristen vermutlich als Erholungsort (in der Unterkunft) und/ oder als Zwischenstopp für den Besuch der Klöster und Kirchen am und auf dem Lake Tana dienen.
Unser Anliegen in den letzten Tagen lag jedoch vielmehr darin, mehr über den Ort und die Menschen hier zu erfahren. Und so konnten wir erleben, wie die anfängliche Skepsis der Dorfbewohner von Tag zu Tag ebenso abflachte, wie unser erstes Gefühl, hier nicht wirklich willkommen zu sein. Wir fühlen uns pudelwohl!
Viele (vermutlich alle) Dorfbewohnern kennen uns mittlerweile (zugegeben, umgekehrt ist es für uns sehr viel schwieriger uns alle Gesichter oder gar Namen zu merken) und die meisten begrüßen uns mit einem freundlichen „suhlam“.
Besonders ins geschlossen haben wir Amarch, in deren Kaffee- und Teestube, wenn man diesen Ort überhaupt so nennen kann, der zuckersüsse Shai zu den ersten warmen Sonnenstrahlen des Morgens am Besten schmeckt.
Vor zwei Tagen wurden wir eingeladen einer äthiopischen Hochzeitsfeier im Port Hotel beizuwohnen. Das Paar hatte die Zeremonie im Kreise der Familie zuhause abgehalten. Wir stiessen zur anschließenden Party mit den Freunden hinzu. Neben gewissen Riten und Regeln wurde ausgelassen, schweißtreibend und traditionell zu äthiopischer Musik getanzt. Das Hochzeitspaar beobachtete das Geschehen und führte erst den letzten Tanz an, bevor es per Bajaj, begleitet von der laut jubelnden Gästeschar, in Richtung Elternhaus des Bräutigams fuhr und die Feier endete.
Am gleichen Ort, einem ziemlich heruntergekommenen, aber sehr klassischen, äthiopischen Hotel, lernten wir Worko kennen, die mit ihrer Mutter und den Söhnen der verstorbenen Schwester gemeinsam im Ort lebt. Sie zelebrierte eine berüchtigte Kaffeezeremonie, während ihre Mutter Adwa frisches Shiro für uns zubereitete. Ein herzlicher und geradezu liebevoller Empfang.
Gorgora ist ein Ort, den wir mit Sicherheit wieder aufsuchen werden. Im Fokus liegen die Menschen, aber wir möchten auch erfahren, wie es um den von den Dorfbewohnern argwöhnisch betrachteten Bau des neuen, asphaltierten Highways steht. Dessen zukünftige Breite und die damit verbundenen Veränderungen scheinen keinen erkennbaren Sinn zu haben. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es am Lake Tana (und somit am Endpunkt der Strecke) nichts Offenkundiges, was eine mehrspurige Strasse rechtfertigen würde, zumal hier kaum Autos und andere motorisierte Gefährte verkehren. Die Großbaustelle vor der Haustür ist für alle ein aufregendes Erlebnis. Was für die Kinder als riesengroßer Spielplatz dient (Baustellenschilder wie „Eltern haften für ihre Kinder“ gibt´s hier nicht!), stellt die Menschen vor emotionale und finanzielle Herausforderungen. Dieser Tage müssen viele Häuser dem Strassenbau weichen, die Bewohner erklären, dass sie mit zu niedrigen Summen vom Staat abgespeist werden, die letztlich für den Neuanfang nicht ausreiche
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