Lurchi auf dem Teller – ein Homestay am Nam Ou – Teil 1

von Edith
Homestay am Nam Ou, Laos

Stromaufwärts auf dem Nam Ou

Was brauchen wir mehr? Ein Boot mit Fahrer, zwei Kajaks, ein bisschen Gepäck und natürlich einen laotischen Begleiter. Vielleicht würden wir besser auch ein Paar leech socks einpacken, aber hinterher ist man immer schlauer. Wir starten mit dem Boot in Muang Ngoi und schippern mit Kao, unserem Guide, und Be, dem Bootsmann (Anmerkung: Jegliche fehlerhafte Schreibweisen der Namen in diesem Text sind wie immer der Kreativität der Verfasserin zu verdanken- geschrieben, wie gehört) gemächlich stromaufwärts auf dem Nam Ou. Als wir anlegen steht uns ein kurzer, etwa 1 1/2-stündiger Trek durch den laotischen Dschungel bevor. Schon nach wenigen Metern ist klar: Das wird kein Spass, aber ein Abenteuer!

Die saugen einem das Blut aus

Wer Blutegel kennt, der weiss: Alles halb so wild, aber extrem blutig und fies, wenn sie denn einmal an Dir hängen. Leider begegnen uns nicht etwa zwei oder drei, sondern gefühlte tausend Exemplare dieser Spezies. Ich darf an dieser Stelle wohl durchaus zum Extrem greifen, denn es entspricht der Wahrheit, dass wir während unserer Wanderung mindestens 20 Stück dieser anhänglichen Gefährten stetig an jedem einzelnen Fuss zählen können. Moskitoabwehr und das Fleisch irgendwelcher Dschungelfrüchte, welches wir uns um die Schuhe reiben, helfen nur geringfügig. Nicht einmal ein Beweisfoto für die endlosen Zahlen der Blutsauger können wir vorweisen, denn wir sind nahezu die ganze Zeit damit beschäftigt, dafür zu sorgen, sie abzuwehren. Zurück auf´s Boot, da sind wir sicher. Aber sogar hier fressen sich die Egel noch in meine Zehen. Gut versteckt in den tiefsten Lücken meiner Sandale. Zu unserem Erstaunen, bedenkt man die Menge der Konsumenten, fliesst kein Tropfen Blut.

Auf dem Weg ins Homestay am Nam Ou

Kao ist es leid. Er ist für heute fertig mit Trekken. Jedenfalls unter der Bedingung dieser Dauerbelagerung. Abenteuer sind halt nicht immer bequem. Aber sein Argument überzeugt uns trotzdem: Wir sind ehrlicherweise ganz froh ab jetzt auf dem Wasser bleiben zu können und die übrig gebliebenen Blutsauger aus den Schuhen zu entfernen. Die folgenden Stunden verlaufen entspannter. Wir fahren verschiedene Dörfer am Fluss an und machen eine ausgiebige Mittagspause am Wasser.

Erst am späten Nachmittag erreichen wir das 200 Seelenörtchen Ban Hat Sa. Wir sind zu Gast im Homestay am Nam Ou bei Kaos Familie. Seine Schwiegereltern, Janping und Janti, betreiben einen der zahlreichen Minimärkte des Dorfes, der in ihrem recht großen Haus untergebracht ist. Kao lebt mit seiner Frau Jeed und der zweijährigen Tochter Narmpang in einem kleinen Bungalow auf dem weitläufigen Grundstück der Familie.

Die erste Begegnung mit LaoLao

Hat die Freundlichkeit der Laoten unter dem mehr und mehr aufkommenden Tourismus gelitten? Allein diese Frage, die uns nach der Ankunft im Land im Kopf schwebte, hat sich längst verflüchtigt. Die Antwort ist ein klares „Nein“. Was uns aber an diesem Abend erwartet, ist laotische Gastfreundschaft und Herzlichkeit von ganz besonderer Qualität. Wir sind zum Essen bei Janping und Janti geladen. Schon vorab reicht uns Be, der Bootsfahrer, den ersten LaoLao. Der hochprozentige, laotische Reiswhisky brennt in der Kehle. Und es wird an diesem Abend nicht bei einem Gläschen bleiben.

Und weitere laotische Trinktraditionen

An dieser Stelle sei ein kleiner Exkurs zu den laotischen Trinkgewohnheiten erlaubt. Wer jemals in Laos war, der weiss, die erste Frage der Einheimischen lautet immer: Beer Lao!? Das Fragezeichen könnte ich bei diesem Ausspruch getrost weglassen, denn wir reden hier nicht über eine tatsächliche Frage. Es ist vielmehr eine Aufforderung, die die Bestätigung desjenigen eigentlich nur impliziert, der das Bier auf jeden Fall bestellen sollte. Neben dem klassischen Nationalgetränk (Beer Lao ist übrigens das beste Bier in Südostasien) ist der LaoLao definitiv ein Muss für jeden Laoten.

Es gibt nur ein Glas, dass in der Runde reihum geht. Derjenige, der einlädt, schenkt den anderen Genossen Bier oder Schnaps ein, bevor er selbst das Glas hebt und zuerst trinkt. Soweit, so gut. Anders als in einer deutschen Eckkneipe aber besagt das laotische Trinkritual, dass jeder in der Runde mindestens einmal das Glas füllen muss, also die Runde schmeisst. Zudem darf der Kelch, hier das Glas, nicht unangetastet an einer Person aus der Runde vorbeiziehen. Um den Mengen des Alkohols Einhalt gebieten zu können, darf man aber den letzten Rest im Glas traditionell den laotischen Geistern opfern und ihn auf den Boden schütten.

Da läuft einem das Blut im Mund zusammen

Ich will beim Kochen helfen, möchte ich doch gerne etwas von der laotischen Kochkunst lernen. Trockene, rote Chilis sind eines der Geheimnisse der laotischen Küche. Ein Schuss frischer Limette neutralisiert das monsterscharfe Gewürz und erzeugt eine köstliche Mischung. Vielmehr bringe ich leider nicht in Erfahrung, denn die Damen des Hauses haben schon fleissig vorgearbeitet. Mir bleibt nur das Zwiebelschneiden. Also beobachten.

Mein Blick wandert durch den Raum. Ich sehe diverse schmackhaft aussehende Pasten und Saucen und bleibe an einer Schale mit Blut hängen. Nichts ungewöhnliches, denn Tierblut ist in Asien ein gängiges Lebensmittel. Es wird also auch Fleisch serviert, Ente, wie ich herausfinde. Das Blut wird mit Erdnüssen und diversen Gewürzen gespickt und kommt mit auf den Tisch. Stephan zeigt sich wagemutig und testet sich heran: „Es schmeckt irgendwie… hm, blutig.“

Halluziniere ich schon?

Immer wieder erstaunt es mich, wie Menschen sich dauerhaft so halten können. Aber Janping wirkt völlig entspannt in ihrem Hocksitz, während sie auf einem Holzstumpf das Fleisch zerkleinert. Wie immer wird das komplette Tier verwertet und entsprechend mit Knochen und allem, was dran ist, zerhackt. Aber ich hab den Anfang verpasst. Die Stücke sind bereits grob vorgeschnitten. Stutzen, Irritation. Der Transfer zwischen meiner visuellen Wahrnehmung und meinem Hirn scheint nur langsam zu gelingen, wahrscheinlich möchte der LaoLao mich mit seiner Wirkung beeindrucken. Aber die Rädchen rattern. Blut von Ente gesehen, ergo: Es gibt Ente. Auf meiner Netzhaut aber prägt sich das Bild schwarzweisser, geschuppter Stücke ein. Selbst als Janping ihrer Enkelin kurz darauf einen schwarzweiss gemusterten, länglichen Schwanz vor die Nase hält, brauche ich noch einige Sekunden bis es endlich Klick macht. Erst als sie das vielleicht 10 cm lange Körperteil in mundgerechte Stücke schneidet, fällt auch bei mir der Groschen. Es gibt gleich zwei Fleischsorten!

Laotisches Essen, Homestay am Nam Ou

Lurchi lässt grüssen

Eigens von Janti erst am Nachmittag gejagt, wird frischer Salamander zum Mahl gereicht. Lurchi lässt grüßen. Ich bekomme gleich mal ein Stück vom besten Fleisch zum probieren, bevor ich das zerkleinerte Tier mit Haut, Schuppen und sämtlichen Körperteilen mit der fantastischen Chilisauce mischen darf. Das Fleisch ist zart. Der Geschmack anders. Spätestens jetzt arbeitet mein Hirn wieder auf Hochtouren. Denn das Gericht ist durchaus schmackhaft. Lediglich mein Kopf möchte mir den Genuss madig machen. Vor meinem inneren Auge erscheint der Satz „Du isst Salamander!“ in Endlosschleife. Mensch, dass weiss ich doch. Ein bisschen habe ich ihn Bio aufgepasst. Spätestens als ich an einer Kralle knabbere und kurz darauf den kleinen Wirbelsäulenknochen im Mund zurück behalte, sehe ich schliesslich auch, was ich gerade zu mir nehme. Also am Besten zum Schlemmen und Geniessen einfach die Augen schliessen und den Kopf ausschalten.

Salamander im Mund, laotisches Essen, Homestay am Nam Ou

Eine neue, ganz besondere Spielgefährtin

Das phänomenale Festessen wird auf einem runden, niedrigen Tisch serviert, drumherum sitzt die gesamte Familie, Be und wir selbst. Das Beer Lao fliesst ebenso wie der heissbegehrte Reiswhisky. Wir speisen vorzüglich- und das ist ungelogen! Es ist köstlich, eine Gaumenfreude. Und es ist laotisch, heimisch. Der Höhepunkt des Abends aber ist das neue Spielzeug von Kaos Tochter. Das kleine Mädchen ist hocherfreut und entzückt uns. Fröhlich hält sie eine tote Ratte am Schwanz, bindet ihr eine Perlenkette um und wedelt stolz mit dem Nagetier herum.

Ein neues Spielzeug,Homestay am Nam Ou

Von den Anwesenden erhält sie natürlich respektvollen Zuspruch. Nicht zuletzt auch von uns Gästen, die wir eine besondere Vorstellung, quasi zum Anfassen, von dem neuen Kuscheltier erhalten, während wir die letzten Bissen unseres Sticky Rice mit LaoLao herunterspülen. Das erste Glas des Reiswhiskys gibt es für Stephan übrigens am nächsten Morgen gleich zum Frühstück. Ob dieser Auswirkungen auf unseren Schulbesuch im Anschluss hat und Stephan unvorhergesehene Kräfte für die weiteren Vorhaben des Tages freisetzt, könnt Ihr im zweiten Teil des Berichtes nachlesen…

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1 Kommentar

Hofmei 29. November 2016 - 2:20 am

Da fällt mir das Bombolino Frühstück ohne laolao ein.
Weiterhin eine erlebnisreiche Excursionsreise

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