Inhaltsverzeichnis
Tana Toraja – Faszinierende Rituale auf Sulawesi
Sagenhaft und unwirklich lockt uns das kühle, imposante Hochland Sulawesis mit faszinierenden Ritualen und uralten Traditionen der Toraja, einer hochkomplexen Kultur. Zwischen bewaldeten Bergen und weiten Tälern präsentieren sich die beeindruckenden Panoramen des Tana Toraja. Nahezu über den Wolken schwebend begeistern uns die Blicke auf tief im Wasser liegende oder grasgrün schimmernde Reisfelder in schroff-schöner Natur.
Rantepao – Das kulturelle Zentrum der Toraja auf Sulawesi
Tator, wie das Hochland Tana Toraja kurz genannt wird, ist die Heimat des Volkes der Toraja, das vor vielen Jahrhunderten vermutlich aus der südchinesischen Gegend nach Sulawesi kommt. Massgeblich prägen die Toraja die Region um den Ort Rantepao, der zugleich das kulturelle Zentrum der Toraja ist.
Für uns oft schwer greifbar orientiert sich das kulturelle, religiöse und soziale Leben im Torajaland bis in die Gegenwart hinein an alten Bräuchen und Sitten. Obwohl sie schon lange dem Christentum angehören, halten die Toraja in tiefer Verbundenheit mit ihrem ursprünglichen Glauben, dem Aluk, regelmässig vielschichtige, sehr aufwendige und akribisch umgesetzte Rituale und Zeremonien ab.
Die Architektur der Toraja
Doch auch architektonisch bestimmen die Toraja die Landschaft der Region. Fast wie Knusperhäuschen wirken die traditionellen Wohnhäuser (Tongkonan) der Toraja und die Alang, die ihnen als Reisspeicher dienen.
Spitzgieblige, schiffsförmige Dächer zieren die mit bunt getünchten Schnitzereien und symbolträchtigen Ornamenten dekorierten Pfahlbauten, die für die Umgebung um Rantepao typisch sind. Die Anzahl der Büffelhörner, die die vorderen Stützbalken füllen, gibt Auskunft über den sozialen Status und Reichtum der Bewohner dieser architektonisch bemerkenswerten Holzbauten.
Toraja Felsen- und Höhlengräber
Handwerklich eindrucksvoll sind auch die Eingänge der Felsen- und Höhlengräber der Toraja gestaltet. Detailgetreu schmücken lebensgrosse, geschnitzte Ebenbilder der Verstorbenen die ungewöhnlichen Gräber. Während die Toten ohne Sarg in verschlossenen Felsengräbern bestattet werden, müssen wir uns tief in eine dunkle Höhle hinein begeben, um eines der Höhlengräber zu besichtigen.
Ein wenig gruselig, denn nicht nur die Särge stapeln sich in den Felsbuchten, auch zahlreiche Totenschädel erinnern an die Verstorbenen. Praktiziert werden auch Erdbeisetzungen oder die Bestattung in hängenden Gräbern, wobei die Särge tatsächlich in Holzgestellen hängen. Für Kinder, die noch keine Milchzähne haben, wählen die Toraja hingegen die Bestattung im Stamm eines lebenden Baumes.
Der Toraja Totenkult
Die unterschiedlichen Bestattungsmöglichkeiten sind jedoch nur ein geringer Teil des sehr besonderen Totenkults der Toraja, der mit starken sozialen und religiösen Zwängen einhergeht. Das Leben gilt bei den Toraja lediglich als Übergangsphase in ein Dasein von höherer Bedeutung. Langwierige Rituale müssen von den Angehörigen durchgeführt werden, um dem Verstorbenen den Weg nach Puya, dem Jenseits, zu ermöglichen.
Da die Seele den Körper zwar verlässt, aber in der Nähe der Toten verweilt, gelten diese im Glauben der Toraja nicht als tot, sondern zunächst nur als krank. Durch Formalin ist der Verwesungsprozess der Leichen verzögert. Die Toten sind präpariert und aufgebahrt weiterhin Teil des Familienlebens und werden entsprechend mit Essen, Getränken oder Zigaretten versorgt. Oft über viele Jahre hinweg.
Kostspielige Begräbnisrituale bei den Toraja
Welchem Druck die Familien standhalten müssen, wird spätestens deutlich, als wir über die absurd hohen Summen stolpern, die die Verwandten aufbringen müssen, um die streng geregelten Rituale einer Beerdigung finanzieren zu können.
So kann es Jahre dauern bis die Familien genügend Geld gesammelt haben, um ihre Verstorbenen zu bestatten. Die Zeremonien der Torqja können, je nach sozialem Status über viele Tage andauern, wobei die Abfolge der Rituale auch hier klar festgelegt ist.
Alle Gäste bringen den Familien Geschenke in Form von Zigaretten, Palmwein, Schweinen oder Büffeln mit. Es wird streng Buch darüber geführt, welche Familie z.B. wieviele Schweine mitgebracht hat, denn im Umkehrschluss steht die Familie des verstorbenen nun in deren Schuld und muss den Spendern zur nächsten Bestattungszeremonie in ihrem Kreis ebensoviele Tiere beisteuern.
Begräbnisrituale der anderen Art
Wir möchten uns das Spektakel um die Beerdigungen der Toraja selbst anschauen und finden uns schon bald in Mitten einer laufenden Feierlichkeit wieder. Festlich gekleidet sammeln sich hunderte von Gästen lachend, schnackend und essend um einen speziellen Zeremonienplatz. Musik, Tanz und etliche kleine und grosse rituelle Handlungen, jede von Bedeutung, bestimmen die vielen Stunden, die wir neugierig und fasziniert das Geschehen beobachten.
So faszinierend der komplexe Totenkult der Toraja ist, so sehr spalten sich die Geister an den Bestattungszeremonien des Volkes. Denn die blutigen Opferrituale der Toraja, deren Zeuge auch wir sind, bilden einen wichtigen Bestandteil der tagelangen Feierlichkeiten. Etliche Schweine, festgebunden auf Bambusgestellen, warten qualvoll quietschend auf ihre letzte Stunde.
Die Wasserbüffel, die sich auf den Grasflächen rund um den Zeremonienplatz aufhalten, scheinen hingegen nichts von ihrem bervorstehenden Ende zu ahnen. Doch erleiden die Büffel einen langwierigen Todeskampf, während die Schweine vergleichsweise schnell sterben. Es gibt nichts schön zu reden, die Tiere leiden Qualen, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise.
Eine Frage des Glaubens
Und doch spiegelt es das Leben eines Volkes, dessen tiefer Glauben alles andere zu überschatten scheint. Denn die Büffel unterstützen die Reise des Verstorbenen nach Puya. Je mehr Tiere geopfert werden, desto schneller gelangt ein Toter ins Jenseits.
Wasserbüffel gelten als Symbol von Macht und Reichtum und werden bei den Toraja, aufgrund der religiösen Zusammenhänge, hoch verehrt. Je höher ein Verstorbener angesehen ist, desto mehr Büffel werden geopfert. Die Hörner, die aufgereiht die Stützbalken der Wohnhäuser schmücken, zeugen von vergangenen Beerdigungszeremonien und sind nur ein Beispiel für den Kult, der um diese Tiere gemacht wird.
Der Büffelmarkt von Rantepao
Grund genug, um uns ein Ereignis dieses Aufenthalts in Rantepao nicht entgehen zu lassen. Wir besuchen den grössten Büffelmarkt im Toraja Hochland, der zweimal wöchentlich in der Nähe der Stadt auf einem Areal abgehalten wird, dass mindestens drei Fussballfelder gross ist.
Es ist früher Samstag Morgen in Rantepao. Von geschäftigem Treiben, dass wir erwarten, ist bisher nichts zu spüren. Kleine Grüppchen, rauchender, schwatzender oder nur still dahin blickender Herren tummeln sich auf dem grossen Platz. Einzig die imponierende Anzahl an Wasserbüffeln, die die Männer umringt und eine kleine Geste hier und da deutet darauf hin, dass die Geschäfte längst im Gang sind.
Einmal waschen und polieren bitte!
Neben Schweinen und Federvieh sind die Wasserbüffel die Hauptattraktion des Morgens. Und ebenso werden sie behandelt. Der erste Gang der Tiere führt in die Waschstrasse. In zwei riesigen Rondellen lassen sich die Wasserbüffel ausgiebig verwöhnen. Wie in einer Waschananlage werden die Tiere zunächst geduscht und mit Inbrunst geschrubbt.
Auch die Politur darf nicht fehlen. Genauestens von ihren Pflegern beäugt wird hier noch eine Stelle zum Glänzen gebracht und dort noch einmal drüber geputzt, bevor die Büffel prächtig hergerichtet angepriesen werden. Zu hunderten warten sie darauf, an den Mann gebracht zu werden. Und die Viehtransporter, die bis weit in die Mittagszeit Schlangen rund um den Büffelmarkt in Rantepao bilden, schaffen immer mehr Tiere heran.
Hahnenkämpfe und quitschende Schweine
Doch nicht jeder auf dem Büffelmarkt wird so verwöhnt. Bei den ohrenbetäubenden Angstschreien der Schweine im benachbarten Teil des Marktes zieht sich mir alles zusammen. Ohne Rücksicht auf Verlust, werden die widerstandsfähigen Tiere festgebunden, zum Kauf angeboten und auf dem Rücksitz von Motorrädern abtransportiert.
Die Hühner sind in engen Körben zusammengepfercht oder klemmen bereits in den Armen ihrer (neuen) Besitzer. Der eine oder andere Hahn jedoch kommt nicht drum herum, Teilnehmer eines brutalen Hahnenkampfes zu werden.
Ein Augenmerk auf den Tierschutz
So archaisch und brutal der Umgang mit den Tieren jenseits europäischer Tierschutzgesetze ist, so sehr ist er Teil der hier gegenwärtig vorherrschenden Kultur der Toraja auf Sulawesi. Mit dem erhobenen Zeigefinger wird hier niemand eine Veränderung erreichen, zumal das Verständnis für unsere westlich geprägten Ansätze fehlt.
Jedem ist freigestellt, wie er eine Kultur und deren fragwürdigen Seiten entdeckt. Uns ist es wichtig, trotzdem hinzuschauen. Das bedeutet aber auch, Dinge zu erleben, die sich vielleicht gegen unsere persönlichen Überzeugungen richten. Mit Interesse und Neugier möchten wir versuchen Rituale und Bräuche zu ergründen und Erklärungen zu finden, diese aber nicht per se zu verurteilen.
Tana Toraja zieht uns in den Bann
Die Welt der Toraja zieht uns an, sie betört uns. Wir erleben aufrüttelnde, fesselnde, bewegende und dramatische Momente. Wir blicken auf ein Potpourri aus erlebnisreichen Tagen inmitten einer uralten und dabei so präsenten Kultur, die von einem tiefgreifenden Glauben geprägt ist. Wir möchten keinen der Augenblicke missen, die uns, brutal oder wunderschön, so sehr in ihren Bann ziehen.
*HINWEIS: Dieser Bericht enthält Werbung und Affiliate-Links. Das bedeutet, dass wir für alle Artikel oder Unterkünfte, die Du über einen solchen Link auf unserer Website kaufst oder buchst eine kleine Provision erhalten. Wir empfehlen nur Produkte, die wir auch selber nutzen oder guten Gewissens empfehlen können. Dabei entstehen Dir keine Mehrkosten.
3 Kommentare
[…] der Familien leben und weshalb Wasserbüffel eigentlich von so grosser Bedeutung sind kannst du hier in unserem ausführlichen Bericht zu Rantepao im Tanah Toraja Hochland […]
Danke für diesen tollen Bericht und die guten Fotos! Es ist echt toll euch auf den Fersen zu bleiben Ulrich und Renate
Spannend und bildhaft geschrieben. Hat Spaß gemacht zu lesen.