Eine luxuriöse Zugfahrt
19 Stunden Luxus. Fast jedenfalls, wenn man die ersten 4 Stunden abrechnet, in denen wir unser Schlafabteil im ziemlich modernen Zug von Warschau nach Moskau noch teilen mussten. Das, so stellte sich heraus, haben wir aber nur einem offenbar korrupten Schaffner und der Gutgläubigkeit eines älteren Ehepaars zu verdanken. Die beiden russischstämmigen Pariser saßen, soweit ich aus dem Mix aus französisch und deutsch im Gespräch mit der Dame verstanden habe, bereits seit Paris im Zug. Dort war ihnen aufgefallen, dass sie entgegen ihrer Wunschbuchung, zwei obere Betten gebucht hatten. Der Mann konnte aus körperlichen Gründen aber gar nicht die Leiter hochklettern. Sie hatte einem Schaffner am Bahnhof also ein „Geschenk“ gemacht, um trotzdem die unteren Schlafplätze im Abteil zu erhalten. Und so hatten sich die Beiden im kompletten Abteil ausgebreitet und in den 27 Stunden Zugfahrt bis Warschau unsere Betten einfach mitbenutzt.
Bei allem Respekt vor dem Alter hatten wir sehr bewusst die unteren Betten gebucht und bestanden auch darauf, diese einnehmen zu können. Mit Hilfe der Übersetzung einer jungen Frau gelang uns die Kommunikation mit dem Schaffner und dem Paar. In Brest zog, die wirklich sehr nette Frau, mit ihrem schweigsamen Ehemann aus. Und wir hatten ein Zweipersonen- Schlafabteil!- Ruhe, Platz, Entspannung.
Der erste Fahrwerkwechsel in Brest
Ein Highlight der Fahrt, das uns auch beim Überqueren der Grenzen zur Mongolei und nach China noch begleiten wird, war der Fahrwerkwechsel in Brest. Hinter der polnischen Grenze verkehren die Züge innerhalb von Belarus (Weißrussland) und Russland (und vermutlich innerhalb aller ehemalig sowjetischer Staaten) auf einem anderen Schienensystem.
Die einzelnen Waggons werden in riesigen Werkshallen per Hebevorrichtung aufgebockt, um dann die Radvorrichtungen darunter zu tauschen. Wir dürfen dem Spektakel bei einem anderen Waggon aus dem Zugfenster zuschauen, während wir selbst mit unserem Wagen bereits in der Luft hingen. Faszinierend!
Pünktlichkeit und Überforderung- Ankunft in Moskau
Nahezu minutengenau und als Deutsche Bahn- Fahrer völlig absurd, trafen wir am Freitag Morgen gegen halb zehn in Moskau ein. Überforderung!
Wir waren vorgewarnt und dennoch irgendwie verloren, als wir von kyrillischen Schriftzeichen umgeben und von russischer Sprache eingelullt wurden. Nach lateinischen Schriftzeichen gilt es gezielt zu suchen, ebenso nach Einheimischen, die einiger englischer Vokabeln mächtig sind.
Glücklicherweise trafen wir unsere französische Abteilnachbarin jedoch wieder. Ganz selbstverständlich hat sie den Kontakt zu einem russischen Ehepaar hergestellt, dass wohl mit ihr im Abteil saß, Sergie und Olga. Superfreundlich und hilfsbereit. Sie sprach gar kein Englisch, er dafür umso besser. Und so nahm Sergie Stephan am Bahnhof an seine Seite und organisierte mit ihm zunächst Bargeld, dann ein Metroticket. Per Sprachaufnahme und Fotografien von Haltestellennamen und Stadtplänen navigierte er uns detailliert bis zu unserem Hostel. Vollkommen uneigennützig und für uns ein wahres Glück, denn sonst hätten wir vermutlich noch ein, zwei Stündchen länger für den Weg gebraucht.