Auf´s Pferd gekommen- Pferdetrekking in Langmusi

von Edith

Schon wieder ein Pferdetrekking

Man könnte meinen wir sind auf´s Pferd gekommen. Ganz so ist es dann aber doch nicht. Der kleine Ort Langmusi (auf etwa 3300m) liegt zu beiden Seiten der Grenze zwischen den Provinzen Gansu und Sichuan und bietet sich einfach an, um die Umgebung bei einem Pferdetrekking zu erkunden. Als wir in dem von einem wunderschönen Bergpanorama umringten Ort ankommen ist schnell klar, dass wir auf jeden Fall wieder mit dem Pferd unterwegs sein möchten. In strahlendem Sonnenschein brechen wir mit einer siebenköpfigen Gruppe und drei Pferdeführern in Langmusi auf. Wir reiten durch grüne, grasbewachsene Hügel- und Bergketten, umzingelt von noch höheren kahlen Bergrücken und schroffen Felswänden. Man kann sich gar nicht satt sehen an dieser eindrucksvollen Landschaft.

In einem ziemlich abgerissenen Häuschen mitten in der Natur verbringen wir die Mittagspause bei heissem Tee und frisch gekochtem Essen mit zwei Niederländern und drei Kalifornienrinnen. Eine wirklich gelungene Abwechslung nachdem wir seit unserer Ankunft in China mit keinem ausländischen Touristen mehr gesprochen haben und die wirklichen Unterhaltungen aufgrund der oft mangelnden Englischkenntnisse der Chinesen ohnehin rar waren. Der Wetterwechsel in den Bergen ist rasant. Gut, dass wir noch ein Dach über dem Kopf haben, denn es beginnt heftig zu Hageln und zu Regnen.

Beim Aufbruch aber leuchtet die Sonne wieder am Himmel. Das niederländische Ehepaar tritt den Rückweg nach Langmusi an, die drei US- Amerikanerinnen haben das Pferdetrekking für nur eine Nacht gebucht und biegen auf dem weiteren Weg ab, um an einem anderen Ort zu nächtigen.

Sind wir eigentlich noch in China?- Tibetisches Nomadenleben

Wir erreichen auf einer weiten Steppe liegend unsere Unterkunft für die nächsten zwei Nächte auf etwa 3600 Metern. Das Zelt der tibetischen Nomadenfamilie unseres Guides vom Pferdetrekking. Taji lebt hier mit seiner Frau Lamutschi (Anmerkung der Autorin: Die Namen sind geschrieben, wie gehört, also vollkommen falsch).

Ihre siebzehnjährige Tochter und der bereits 18 Jahre alte Sohn kommen nur während der Ferienzeiten zu ihren Eltern. Die Behausung ist ein sehr altertümlich wirkendes, aber offenbar noch recht traditionelles Nomadenzelt aus dunkelbraunen, leinenartigem Stoff, Yak- Haar, soweit ich herausfinden konnte. Die Nachbarn ringsherum wohnen zum Teil in klassischen weißen Hauszelten, wie wir sie auf jedem Dauercampingplatz finden, daneben stehen dicke Autos.

weißen Hauszelten, wie wir sie auf jedem Dauercampingplatz finden, daneben stehen dicke Autos. Taji und Lamutschi besitzen, soweit wir es beurteilen können, weder Auto noch Motorrad. Sie haben Pferde und eine große Herde Yaks, die hier typische Rinderart. Die Landschaft und das Ambiente erinnern weitaus mehr an die Mongolei, als dass wir sie mit China in Verbindung bringen würden. Es ist bitterkalt. Tagsüber, sobald die Sonne hinter den Wolken verschwindet und der Wind aufkommt. Abends und nachts gehen die Temperaturen an die Nullgrad- Grenze. Die wenige Wärme, die der Ofen in der Mitte des Zeltes abgibt, kann überhaupt nicht im Inneren gespeichert werden. Das Zelt hat hierzu viel zu viele undichte und offene Stellen. Offensichtlich ist das Brennmaterial zudem nicht das Beste, jedoch das Einzige, was die Nomaden hier in der baum- und strauchlosen Steppe nutzen können: Den getrockneten Dung der Yaks. Eine Wissenschaft für sich scheint es zu sein diesen sorgfältig zu konservieren. Wir beobachten Lamutschi bei ihrer Arbeit, helfen aber auch dabei, die großen Kothaufen der Tiere umzuschichten.

Die Geschwindigkeit und das Geschick, dass sie dabei an den Tag legt, sind mir ein Rätsel. Mir treibt die Arbeit, trotz der Kälte, den Schweiss auf die Haut. Es gibt frischen Kot, solchen der ausgebreitet ist, um ihn von der Sonne trocknen zu lassen, solchen, der nicht mehr ganz feucht ist, aber auch zu nass, um ihn als Brennstoff gebrauchen zu können usw. Etwa ein Sechstel des Zeltes ist alleine für trockenen Dung vorgesehen.

Die Frau hat die Hosen an

Achtunddreissig Jahre alt, zwei Kinder, ein Leben unter ziemlich harten Bedingungen, von morgens früh bis abends spät mit körperlich anstrengender Arbeit beschäftigt. So würde ich ganz oberflächlich und letztlich nur mutmaßend betrachtet das Leben von Lamutschi umschreiben. Sie trägt schmutzige Kleidung, ist grob und derb von Statur und Wesen, dabei aber auf ungewöhnliche Weise sehr attraktiv.

Trotz oder vielleicht gerade wegen der Rahmenbedingungen, ist Lamutschi ein Energiebündel sondergleichen. Voller Tatendrang, kraftvoll und dazu äußerst effektiv scheint sie ihren Alltag und den der Familie zu managen. Ganz klar: Sie hat die Hosen an. Ich bin beeindruckt von dieser Frau und habe hohen Respekt vor ihr und ihrem Leben. Die Rollen sind hier offenbar klar aufgeteilt. Lamutschi ist die erste, die morgens um sechs aufsteht und die letzte, die abends gegen elf ins Bett geht. Sie ist für die Yaks und die damit verbundenen Aufgaben zuständig. Treibt die Herde am Morgen hinaus aufs Weideland, hütet sie und kommt erst gegen Abend wieder zurück. Beim Eintreiben der Tiere am Abend kommt überraschenderweise auch eine Steinschleuder zum Einsatz, die Stephan dann zur allgemeinen Sicherheit mit Yak- Dung ausprobieren darf. Nach dem Aufstehen ist Lamutschi diejenige, die die frischen Kothaufen aus der Nacht sichert, um sie am Abend wieder umzuschichten.

Danach werden die Yaks von ihr gemolken. Im Anschluss verarbeitet sie die Milch zu Butter und Yoghurt. Sehr fortschrittlich, denn sie hat bereits eine mit einer Kurbel ausgestattete, handbetriebene Maschine, die es ermöglicht, die Butter aus dem einen Ausguss, den Yoghurt aus dem anderen zu gewinnen.

Sie holt das Wasser in großen Kanistern aus dem naheliegenden Fluss und nutzt den Gang für eine eiskalte Gesichtswäsche.

Wenn sie abends nach Hause kommt, beschäftigt sie sich ausgiebig mit dem Yak- Dung, erst gegen neun Uhr beginnt sie damit das Abendessen zu kochen. Bevor sie ins Bett geht betet sie beim Klappern ihrer Gebetsmühle. Taji betätigt sich natürlich als unser Guide, macht uns Frühstück, Mittagessen und Tee, scheint aber irgendwie sehr viel behäbiger zu sein als seine Frau. Was er tut, wenn gerade keine Touristen zu Besuch sind, ist schwer zu sagen. Zwei Tage nach unserem Trip treffen wir ihn in Langmusi wieder. Obwohl gerade Nebensaison ist, erneut mit ausländischen Gästen im Schlepptau. Er freut sich offenkundig uns zu sehen.

Gipfelsturm auf den Huagai God Mountain

Der erste Morgen ist bitterkalt. Dicker Raureif liegt über der Grasfläche. Die Berge rundherum sind nebelverhangen. Über die Weideflächen ziehen dichte Dunstwolken. Ein unbeschreibliches Gefühl in der Stille dieser Landschaft ein solch faszinierendes Naturschauspiel erleben zu dürfen. Im ersten Tageslicht verrichten die Frauen schon ihre Arbeit. Eine meditative Stimmung legt sich über das Land, als Lamutschi während des Melkens der Yaks ein Mantra vor sich hin singt und dabei ganz in Einklang mit sich selbst zu stehen scheint. Mit der aufgehenden Sonne beginnt es etwas wärmer zu werden.

Nach dem Frühstück ziehen wir mit Taji auf den Pferden los zum Huagai God Mountain. Nach zwei Stunden erreichen wir den Fuß des 4200 Meter hohen Berges. Vor uns liegen 400 Höhenmeter, die wir nun mit unseren eigenen Beinen zurücklegen sollen. Die fühlen sich aber gerade an wie Pudding. Wir beide spüren die Anstrengung des Reitens der letzten zwei Tage schon jetzt deutlich in unseren Körpern.

Ich könnte mich auch zur Mittagsruhe ausstrecken. Aber es hilft nicht. Wir wandern los. Die zu kletternden Höhenmeter sind anstrengend, die Höhe macht zudem der Atmung schwer zu schaffen. Wir denken darüber nach, einfach wieder umzukehren. Je weiter wir ansteigen, desto leichter wird der Weg jedoch. Als wir bei strahlendem Sonnenschein den Gipfel erreichen sind wir froh, durchgehalten zu haben. Zu unserer Überraschung verbirgt sich auf dem Gipfel ein großes Plateau. Kreisrund wehen zahlreiche Gebetsfahnen um eine mit speerähnlichen Stäben und etlichen weiteren bunten Fähnchen erbaute Skulptur. Wir haben es geschafft!

Sind wir ehrlich: Wir lieben den Luxus

Wir sind platt, vollkommen erschöpft, als wir am frühen Abend Tajis Zuhause erreichen. Ohne Frage: Der Gipfelsturm war, neben diesem grandiosen Morgen, eines der Highlights des Pferdetreks. Wir sind dankbar, dass der Regen erst einsetzt, als wir schon am Ofen liegen und nur einzelne Tropfen durchs Zeltdach zu spüren bekommen. Was wir hier erleben ist absolut authentisch. Hier schaut keiner, was uns wohlgefällt. Die Arbeit muss getan werden, das Leben geht seinen Gang. Wenn wir Touris meinen, hierher kommen zu müssen, um nah am Leben der Menschen zu sein und dies kennenlernen zu wollen, dann müssen wir auch anpacken. Also gehts im Regen wieder raus, die Yaks müssen angekettet werden. Der nächste Morgen ist verregnet. Es ist nicht mehr ganz so kalt. Aber wir sind froh, als wir den Rückweg auf den Pferden antreten. Ein Zwischenstopp führt uns vorbei an den Mineral Springs, die sich als matschige, sprudelnde Pfütze herausstellen. Das frische Quellwasser ist vermutlich zwar gesund, schmeckt aber übel nach Eisen. Als wir in unserer Unterkunft ankommen wartet die ersehnte heisse Dusche. Ja, wir wollen Authentizität. Und wir hatten Authentizität. Und trotzdem sind wir Luxusliebhaber, zumindest was solides Dach über dem Kopf, ein warmes Bett und eine heisse Dusche angeht!

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1 Kommentar

Kai und Möhre 23. September 2016 - 11:49 pm

Hallo ihr Lieben,

wir verfolgen eure große Reise bequem vom Sofa aus und danken euch dafür, dass ihr eure Erlebnisse mit uns teilt.

Euch weiter viel Spaß und tolle Begegnungen 🙂

Ne schöne Jrooß aus Kölle
von Le Plück et la Möhr

Antworten

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