„Listening to the wind of change“- Die Frage, ob der Wind im politischen Russland heute immer noch im Sinne dieser Veränderung weht oder längst zum Gegenwind bläst, möchte ich an dieser Stelle mal umkommentiert stehen lassen.
Inhaltsverzeichnis
Eine laute, aber märchenhafte Großstadt
Fakt ist, dass Moskau den Eindruck einer modernen, aber auch äußerst lauten Großstadt macht.
Obwohl wir von der Größe dieses Ortes mit etwa 12 Millionen Einwohnern angestrengt überwältigt sind und uns nach Natur sehnen, können wir ihm etwas märchenhaftes bescheinigen. Es sind die Bauwerke, die die Phantasie anregen, sich ins Russland der Zarenzeit zu denken.
Pompöse, glamouröse, Häuser und an Paläste erinnernde Gebäude, zahlreiche bunte Kirchen mit Zwiebeltürmen oder goldenen Kuppeln säumen manche Strassenzüge und Plätze. Die Palastbauten und Türme stechen durch filigranste Baukunst heraus, hier noch ein Türmchen und dort noch eine detailverliebte Spitze.
Prunkvoll auch im Alltag
Diese vielen, kleinen Spielereien finden sich hier im alltäglichen Leben. Ein gutes Beispiel hierfür sind viele der Metrostationen im Stadtkern. Ins schier Endlose scheinen die langen, steilen Rolltreppen zu führen, die bis tief unter die Erde reichen (die tiefste Station liegt bei über 80 m unter der Oberfläche).
Erreicht man hier dann zum ersten Mal die großen, prunkvollen, marmorgetäfelten Hallen mit ihren zahlreichen, verschnörkelten Rundbögen zur Rechten und zur Linken und den teils wunderschön, kitschigen Kronleuchtern, bleibt das Staunen nicht aus. Nicht umsonst werden die Stationen der Moskauer Metro als „unterirdische Paläste“ bezeichnet.
Verzaubernd wirkt auch das Kaufhaus GUM direkt am Roten Platz. Äußerlich wie auch im Inneren ein Prunkbau sondergleichen. Von seichter Musik unterlegt und durch seinen antiken Glanz beindruckend, wird das Shoppen an sich hier zu einem Erlebnis.
Verzaubernder Gorki Park
Der Gorki Park ist eine Insel der Naherholung. Von hohen schwarzen Zäunen mit goldenen Spitzen umsäumt und durch ein mächtiges Eingangsportal zu erreichen, finden sich im Inneren viele hübsche Bänke und altertümlich aussehende Laternen, die dem Park einen ganz eigenen Charme geben.
Tatsächlich ist der Gorky Park ein Vergnügungspark. Wobei das Wort möglicherweise fehlleitet. Bootsverleih, Bars, Zuckerwatte- und Eiscremeverkäufer, Spielplätze, Karussells und Open-AirVeranstaltungen, um nur Beispiele zu nennen, dienen natürlich dem Vergnügen. Ich fühlte mich beim Durchschlendern an Mary Poppins erinnert. Die Welt des Gorki Parks wirkte wie eine entspannte, friedliche Oase in der Großstadt und Treffpunkt für die unterschiedlichsten Menschen empfunden. Dabei gibt der Vergnügungsparkcharakter dem Ort eher einen Hauch von Märchen und Zauberei- eben wie bei Mary Poppins.
Kommunizieren in Russland
Wir waren vorgewarnt, wie schwierig es sein würde, in Russland verbal zu kommunizieren. Klar ist, dass die ältere Generation und auch unsere Generation zur Zeit des Eisernen Vorhangs aufgewachsen ist und somit die Englischkenntnisse der Menschen meist nicht vorhanden sind. Überraschend scheint uns aber, dass selbst die Jüngeren offenbar kaum mit der „Weltsprache“ in Verbindung gekommen sind und es somit immer wieder ein Glücksfaktor ist, jemanden zu finden, der einem im Zweifel erklären kann, wie man zur nächsten Metrostation kommt.
Der erste Eindruck
Natürlich sind wir nicht frei davon uns einen ersten, oberflächlichen Eindruck von den Menschen hier zu machen. Wir erleben häufig einen harschen, fordernden und sehr strengen Umgangston im Miteinander, was aber auch der Härte des Vokabulars geschuldet sein kann. Uns gegenüber wird dieser Ton teilweise ebenso genutzt und wir sind überzeugt, die eher kühle Körpersprache durchaus stimmig wahrzunehmen. Völlig entgegen hierzu erleben wir vereinzelt Menschen wie z.B. Sergei und Olga, die mit einer Herzenswärme völlig wildfremden Menschen ihre Unterstützung anbieten. Auf meiner langen Suche zum Eingang des Gorki Parks hat mich eine Frau einfach ein Stück in ihrem Taxi mitgenommen, eine andere ist ein ganzes Stück mit mir gegangen, um mir den richtigen Weg zu zeigen. Scheinbar ohne darüber nachzudenken, sind diese Menschen völlig uneigennützig und über die Maßen hilfsbereit auf uns zugekommen. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir mit den Menschen eine gemeinsame Sprache sprechen oder wir uns einfach nur gestikulierend verständigen.
So oder so ist es eine rein oberflächliche Einschätzung. Ob die ersten Eindrücke so stehen bleiben oder sich wandeln, hoffen wir in den nächsten Wochen bei unserer Reise quer durch dieses Land herauszufinden.
Und so geht´s weiter
Heute Nacht wird uns der Zug über 70 Stunden lang von Moskau bis zum Baikalsees nach Irkutsk bringen. Einmal quer durch Russland bis nach Sibirien. Mit Sicherheit eine anstrengende, aber hoffentlich auch schöne Reise…