Vientiane – Hauptstadt, Lebensader und natürliche Grenze

von Edith
Vientiane

Wenn das Wörtchen „Reise“ aus dem Reisealltag verschwindet…

… dann bedeutet dies im besten Falle, dass wir angekommen sind, im Einklang mit dem Leben vor Ort stehen und unseren täglichen Routinen nachgehen. Erlebnisse und Situationen fühlen heimisch und vertraut an. Aber es bedeutet auch, mit Gefühlen konfrontiert zu werden, die wir am Liebsten zurück in dem Leben vor der Reise gelassen hätten. Unterwegs zu sein ist kein Kindergeburtstag. Reisen geschieht nicht in der heilen, rosaroten Welt des Urlaubs. Stetig stehen Entscheidungen an, die kurz darauf sooft wieder in Frage gestellt werden. Stress und Nervereien, Anstrengung und Anspannung sind eng mit diesem Leben verbunden. Aber jetzt ist die Reise unser Zuhause und negative Stimmungen sind eingebettet in eine völlig andere (und in der Regel sehr viel entspanntere) Lebenswelt. Wir müssen uns zwangsläufig mit den Gegebenheiten vor Ort arrangieren, auch, wenn uns das nicht immer leicht fällt. Die Grenzen unserer Geduld werden manchmal hart auf die Probe gestellt. Aber all dies verbindet uns auch immer wieder ganz eng mit dem Leben der Menschen vor Ort. Und gerade das macht das Reisen, trotz aller Flüche und fern ab von Urlaub, eben auch so spannend.

Amélias Zukunft

Amélia ist auserkoren, weil wir frei sein, weil wir langsam und beschaulich reisen und nah am Menschen bleiben möchten. Die vielen offenen Fragen, die sich uns rund um unseren Motorradkauf stellen, sind nicht beantwortet, sind hinfällig geworden oder hinten angestellt. Die Entscheidung aber fällt zu Amélias Gunsten und unserer Unabhängigkeit aus. Wir fahren weiter mit dem Bike. Eben solange, wie es sich für uns gut und richtig anfühlt.

Und so nutzen wir die Zeit in Vientiane und kommen unserer Sorgfaltspflicht nach. Ein eigenes Gefährt bedeutet immer auch Arbeit. Der Ölwechsel steht an, neue Stossdämpfer sind Pflicht und wenige Kleinigkeiten soll der Schrauber für uns bewerkstelligen. Doch dabei bleibt es nicht und der Alltag ohne das Wörtchen „Reise“ beginnt. Aber dazu später mehr.

Vientiane- eine ziemlich entspannte Hauptstadt

Vientiane ist prädestiniert ein paar organisatorische Dinge zu erledigen, entwickelt sich die Hauptstadt von Laos doch langsam zu einer modernen Metropole. Dabei ist und bleibt Vientiane eine ziemlich entspannte Grossstadt. Obwohl Autos und Motorräder die Strassen einnehmen, erinnert der Verkehr hier nicht annähernd an andere Orte dieser Grösse. Ebenso heruntergewirtschaftete, wie auch sehr hübsch restaurierte Villen zeugen von der französischen Kolonialherrschaft. Zahlreiche Tempelanlagen verteilen sich weit über das Areal der Stadt. Dabei ist der That Luang, eine goldbesetzte Stupa mit dazugehörigen Klöstern, das bedeutendste, religiöse Monument des Landes und leuchtet prunkvoll im Licht der Abendsonne.

Lebensader und natürliche Grenze

Gelegen am Ufer des Mekongs ist der Strom nicht nur die Lebensader der Stadt, er bildet auch über etliche Kilometer die natürliche Grenze zwischen den Nachbarländern Laos und Thailand. Und so werden wir auch in den nächsten Tagen wohl immer wieder in den Genuss kommen, gefühlt dort hinüberspringen zu können, obwohl Thailand tatsächlich auf unserer Route noch weit in der Ferne liegt.

Die neu gestaltete Uferpromenade Vientianes beherbergt mittlerweile einen recht großen Nachtmarkt. Unter roten Pavillons werden Schuhe, Textilien und Souvenirs feil geboten. Während die Märkte früher Haupteinkaufsmöglichkeiten für die Menschen in einer Stadt wie Vientiane gewesen sind, spriessen auch hier mittlerweile Shoppingmalls und Supermärkte aus dem Boden, in denen alles zu erhalten ist, was das westliche Herz begehrt. Irgendwie seltsam, wenn ich bedenke, dass es in diesem Land vor sechs Jahren nicht mal ein Snickers zu kaufen gab (Stephan behauptet übrigens steif das Gegenteil, aber ich weiss es besser:)).

Ein laotischer Drive-in

Ab von den Menschenmassen und Touristenströmen, die natürlich auch Vientiane bevölkern, finden wir einen sehr authentische Imbissstrasse, die vorwiegend von Einheimischen frequentiert wird. Unter einfachen Holzständen bieten die Verkäufer verschiedenste laotische Spezialitäten an. die Laoten düsen mit dem Roller heran, kaufen einen Plastikbeutel mit Suppen, Reis und anderen Köstlichkeiten zum Mitnehmen und machen sich wieder auf den Heimweg. Quasi die laotische Variante des Drive- in. Auf einem kleinen Boulefeld gehen mehrere Männer dem Spiel nach, dass wohl ein Überbleibsel aus der Kolonialzeit ist.

Familienbande

Hier kommen wir mit R.J. ins Gespräch, einem Franzosen, dessen Eltern aus Laos stammen. In den letzten 15 Jahren hat er in Australien gelebt, war dort verheiratet und ist nach seiner Trennung zurück nach Frankreich gezogen. Das Boulefeld und der angrenzende Minimarkt gehören seinem Onkel, der erst vor ein paar Tagen wegen eines Schlaganfalls ins Krankenhaus gekommen ist. Gemeinsam mit seiner Mutter Fabienne ist R.J. auf Verwandtenbesuch. Und so tummeln sich sämtliche Cousins, andere Familienmitglieder und Freunde allabendlich um einen Tisch, Essen gemeinsam, trinken viel und spielen Boule. Biau und Apple, die Cousins, sprechen ein wenig Englisch, was die Unterhaltung erleichtert. La, ein Freund der Männer, erfreut sich sichtlich unserer Anwesenheit und ist hochmotiviert uns Kenntnisse seiner Sprache beizubringen. Und so lernen wir fleissig das Zählen auf Laotisch.

Einladung zum Essen

Es wird ein sehr lustiger, sehr interessanter und vor allem sehr laotischer Abend. Wir geniessen es ab von den Toruistenpfaden einfach nur hier sein zu dürfen und am Leben der Menschen teilhaben zu können. Wir versprechen, uns noch einmal blicken zu lassen, bevor wir Vientiane verlassen. Irgendwann am nächsten Abend schlendern wir also zum Essen in die Strasse und wollen eigentlich nur kurz „Hallo“ sagen. Aber, wie soll es anders sein? Die Ausmasse laotischer Gastfreundschaft und Herzlichkeit werden hier wieder einmal unter Beweis gestellt. Die Familie wartet schon auf uns, das Essen steht bereit. Wir werden verköstigt und verwöhnt, trinken viel Beer Lao und erfreuen uns am gemeinsamen Miteinander.

Der Wurm ist drin

Zurück zur Pflicht. Das MacBook muss zum Doktor. Die Beschichtung des Displays löst sich langsam ab, ein Herstellerproblem, wie wir erfahren. Und auch die Kamera braucht ein Ersatzstück, dass gebrochen ist und langfristig aufgerüstet werden muss. Aber der Wurm ist drin. Bei den angeblichen Canon- Händlern hagelt es Absagen. Im Apple- Service- Center werden wir auf eine Bestelldauer von mindestens zwei Wochen vertröstet. Alles Mist! Immerhin erledigen wir den Ölwechsel, besorgen neue Stossdämpfer und lassen den Kleinkram an Amélia reparieren. Wenigstens etwas Gutes, denn so können wir schon am nächsten Morgen Richtung Südosten aufbrechen. Oder auch nicht…

Der Wurm wird länger

Nächster Morgen, vollbepackt, wir wollen los. Pustekuchen! Der Anlasser zickt. Das müssen wir kurz checken lassen, bevor es los geht. Hier und da gedreht, alles gut. Probefahrt. Der Hinterreifen eiert, sagt der Mechaniker. Gar nicht gut. Aber, wenn wir schon hier sind, sollen bitte auch all die Reparaturen erledigt sein, die unsere Sicherheit gewährleisten. Heisst: Das komplette Gepäck abladen. Zwischendurch wird deutlich, die Sache mit dem Anlasser ist auch nicht behoben. Neue Fehlersuche. Es dauert. Als wir endlich wieder bepackt sind und losfahren können, sind schon zwei Stunden vergangen. Einen Kilometer später ist klar: Wir müssen zurück. Es klackert am Hinterreifen. Die Prozedur beginnt von vorne: Gepäck komplett abladen. Fehlersuche. Warten. Frust entsteht, Diskussionen folgen. Nach drei Stunden vieler neuer Erfahrungen und der zwischenzeitlichen Überlegung gar nicht mehr loszufahren, verlassen wir Vientiane schliesslich in östliche Richtung.

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