…von Christmas und Young. Zwei neunzehnjährige Jungs, aufgewachsen bei Christmas Großmutter und deren Mann in einem kleinen Dorf auf dem Land, dass etwa 7 Stunden Fußmarsch von Lalibela entfernt liegt. Young kennt seine Eltern nicht, auch Christmas Mutter und Vater sind früh gestorben.
Die weitere Schullaufbahn führte die beiden Jungen nach Lalibela, wo sie seither in einer kleinen Lehmhütte zusammen wohnen. Der Schlafraum mit einem Bett für die Beiden umfasst wohl nicht mal acht Quadratmeter. Daneben befindet sich ein kleiner Raum für Vorräte und Küchenmaterial. Gemeinsam mit den Nachbarn im gleichen Hof teilen sie einen Wasserhahn und die Toilette. Traditionell ist diese ein Loch im Boden, um welches ringsherum notdürftig zusammengezimmerte Planen angebracht sind.
Im letzten Jahr haben sie ihren Schulabschluss nach der 10. Klasse gemacht, die Resultate reichten aber nicht aus, um die 11. und 12. Klasse der Preparatoryschool zu besuchen. Das alternative College würde horrende Kosten mit sich bringen, die Christmas und Young sich nicht leisten können. Ihr Geld verdienen sie sich, vor allem in der Hochsaison, als Schuhputzer. Die Konkurrenz wird aber immer größer und der Ertrag reicht gerade für die Miete und den täglichen Lebensbedarf aus.
Ihre Kleidungsstücke sind vermutlich an zwei Händen zählbar, die zwei Mahlzeiten am Tag scheinen weitesgehend aus Injera mit Shiro zu bestehen.
Ein großer Teil ihres Lebens ist dem Glauben gewidmet und diesen praktizieren sie täglich beim morgendlichen Gebet in den Kirchen. Familie und nahestehende Menschen machen einen wichtigen Part ihrer Gedanken aus, die Sorgen und Gebete für sie sind allgegenwärtig.
Young ist gerade krank, er quält sich seit Monaten, vielleicht auch Jahren mit Schmerzen und lag zwischenzeitlich völlig erschöpft im Bett. Wir versuchen im Augenblick ihn mit ärztlicher Unterstützung aus Deutschland, Ferndiagnosen und einer Medikation weiterzuhelfen. Doch letztlich weiß niemand, was sich im Bauch dieses 19jährigen befindet, der noch nie beim Arzt war und schon immer unter katastrophalen hygienischen Umständen gewohnt hat.
Wir besuchen Christmas, Young und ihre Nachbarin Guzguz, die ihnen hauswirtschaftlich unter die Arme greift, nun bereits zum dritten Mal. Und mit jedem neuen Besuch versuchen wir einen besseren Einblick in ihr Leben bekommen und die Möglichkeiten einer beruflichen Perspektive für die Beiden intensiver zu recherchieren, was sich als nicht sehr leicht erweist. Die gewonnen Informationen sind teils widersprüchlich, die Optionen einer beruflichen Zukunft scheinen fast nicht vorhanden zu sein. Wie der wirkliche Alltag der Jungs aussieht, ist für uns schwer einzuschätzen. Für den Besuch aus Deutschland, lassen sie alles stehen und liegen. Sie träumen von einer Ausbildung im Tourismusbereich, um irgendwann eine feste finanzielle Basis zu haben. Die Unterstützung ihrer Familie ist vorrangig und setzt sie offensichtlich unter starken Druck. Um ihren Wünschen nachkommen zu können, sehen sie z.Zt. nur eine Lösung: Die reiche Person, die ihnen die Ausbildung bzw. die Grundlage hierfür finanziert. Und an dieser Stelle wird es für uns schwierig, eine Einschätzung zu treffen. Vor dem Hintergrund unser Herkunft und Ausbildung appellieren wir an ihre Eigeninitiative und Flexibilität, wir fordern sie auf, nicht abzuwarten, sondern ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das ist, so wissen wir von Einheimischen, die in den Genuss einer verhältnismäßig guten Ausbildung gekommen sind, auch absolut notwendig. Aber in solchen Gesprächen wird ebenso deutlich, dass, wer in Äthiopien etwas werden möchte, entweder Geld oder richtig gute Noten braucht. Selbst dann ist es äußerst schwierig, aber möglich eine Ausbildung zu machen. Wer beides nicht hat, scheint kaum eine Chance zu haben und weitaus mehr als ein gesundes Maß an Selbstdisziplin und Energie zu benötigen.
Wir unterstützen Christmas und Young vor allem darin, umzudenken und Ideen zu finden, wie sie aktiv den Prozess ankurbeln können. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema fällt ihnen ebenso schwer, wie eine realistische Einschätzung zu lebenspraktischen und finanziellen Dingen.
Aber auch, wenn dies überheblich klingen mag, haben wir Verständnis hierfür, denn wo sollen sie dies gelernt haben?
Natürlich betrachten wir das Geschehen skeptisch und mit einer gesunden Distanz und dennoch erleben wir eine Herzlichkeit und Verbundenheit mit Christmas und Young, die uns antreibt, ihnen Hilfestellungen zu geben. Und somit wird es wohl nicht die letzte Reise nach Äthiopien gewesen sein, denn wir erwarten mit Spannung die Entwicklungen der nächsten Jahre.
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