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Die Tee-Pferde-Strasse
Nicht so berühmt wie ihre nördlichere Schwester Seidenstrasse ist auch die Tee-Pferde-Strasse in früheren Jahrhunderten ein wichtiger Handelsweg gewesen, der die chinesischen Provinzen Yunnan und Sichuan im Osten mit Tibet und Indien im Westen verbindet. Sie schlängelt sich über bis zu 4000 Meter hohe Gebirge, in denen die klimatischen Bedingungen den Handelsweg über weite Teile des Jahres unpassierbar machten. Selbsterklärend wurden über die Tee- Pferde- Strasse in erster Linie Tee und Pferde transportiert, aber auch Salz, Seide und Opium. China bezog Pferde aus Tibet, Tee wurde aus China dorthin, aber auch ins heutige Teeparadies nach Indien gebracht, wo mit dessen Anbau erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts begonnen wurde. Das überschaubare Örtchen Shaxi liegt im Nordwesten Yunnans an der alten Tee- Pferde- Strasse.
Heute erinnern die Pferde vor dem Stadttor und ihre teils traditionell gekleideten Reiter für touristische Ausflüge noch an die Zeiten der Kaufleute und Händler. Aber auch der alte Marktplatz, umrundet von hübschen, historischen Holzhäusern und die vielen einladend gestalteten, traditionellen Häuser mit Innenhof und allerlei Schnörkel und Verzierungen sprühen einen historisch anmuteten Charme aus. Obwohl viele Hotels, Souvenierstände und chinesische Touristen hier zu finden sind, überzeugt Shaxi und lädt zum längeren Verweilen, Herumschlendern und Beobachten der Besucher ein.
Im Fokus der Kameras
Natürlich finden auch die chinesischen Reisenden Shaxi wunderschön und nutzen fleissig ihre Handycams und Selfistangen, um dies festzuhalten. Und natürlich scheinen auch wir Westler wieder einmal interessanter zu sein, als all die historischen und architektonischen Motive drumherum. Selten jedoch sind wir von den Einheimischen in dieser Häufigkeit abgelichtet worden. Jedoch gibt es in China sehr unterschiedliche Arten dieses Vorhaben anzugehen. Ein kleiner Exkurs zur groben Klassifizierung der drei gängigsten Fotografen- Typen:
Der Mutige: Freundlich, hocherfreut, breit lachend und ganz offen bittet er um ein Foto von uns. Manchmal traut er sich sogar zu fragen, ob wir nicht ein Bild aufnehmen können, auf dem wir gemeinsam mit ihm zu sehen sind und schmiegt sich glückselig an unsere Schultern.
Der Heimlichtuer: Der Fotograf möchte den Anschein erwecken, etwas ganz anderes zu fotografieren und schwenkt die Linse dann scheinbar völlig unauffällig auf uns. Alternativ versucht er die Kamera zu tarnen, um zu verheimlichen, dass überhaupt fotografiert wird. Bei beiden Varianten stellt sich der Fotograf sehr ungeschickt an, wodurch er erst recht auffällt und mitunter urkomisch wirkt.
Der Ignorant: Unfreundlich, arschcool und aalglatt stellt sich der Fotograf in Position. Dabei schaut er uns eigentlich gar nicht an, grüßt nicht, macht ein Foto und geht wieder. Kein Wort oder gar eine Geste des Danks.
Eine Rechnung ohne den E- Roller- Akku
Ein erster schweißtreibender Fahrradausflug in die bergige Umgebung Shaxis lockt uns, die Natur des Umlands mit leuchtenden Reis- und Getreidefeldern durch die sich ein klarer Fluss windet, intensiver zu erkunden.
Am darauffolgenden Tag mieten wir einen Roller. Vorurteilsbeladen mag man ja nicht meinen, dass gerade China mit seinen smogverhangenen Städten ein Vorreiter auf dem E- Bike- Markt zu sein scheint. Doch die geräuschlosen Gefährte für die es keinen Führerschein bedarf sind im Strassenverkehr allgegenwärtig und sogar relativ schnell unterwegs, was durchaus fatal sein kann, da die warnenden Laute eines ankommenden Fahrzeugs fehlen. Allerdings scheint die chinesische Bevölkerung dies durch wilde Hupkonzerte zu kompensieren auf die wirklich jeder reagiert und die Sorge tragen, dass hier niemand umgefahren wird.
Am Morgen düsen wir also ganz umweltbewusst auf ganz schön steilen Strassen in die Berge und lassen uns den Wind um die Nase wehen. Zum späten Nachmittag brechen wir bei bestem Licht zum Fotografieren erneut auf. Das Bild schon im Kopf steuert Stephan einen Punkt oberhalb der Reisfelder an.
Das einzige Bild, welches jedoch real wird, ist allerdings jenes auf dem Display des Rollers. Die Akkuanzeige schwankt schon den ganzen Tag zwischen niedriger und voller Batterie, je nachdem ob wir bergauf oder -ab fahren. Jetzt schwankt sie nicht mehr, sondern ist konstant auf Tiefstand. Mmh, damit kommen wir nicht mehr zurück nach Shaxi. Es ist nicht etwa so, dass wir völlig blauäugig wären, aber irgendwie denken wir vor der Abfahrt, dass der Akku eigentlich noch reichen muss und der Energiestatus wie schon mittags, wieder steigt. Falsch gedacht. Wir kehren um in Richtung Shaxi bis die Räder unseres Supergefährtes sich nicht mehr drehen. Stephan schiebt und ich trotte gemütlich, lächelnd, die letzten Sonnenstrahlen geniessend nebenher. Wie absurd!
Bekanntschaften in der Not
Unser erster Versuch ein Akkuladegerät zu organisieren scheitert kläglich. Wir sind auf einem großen Hof angekommen und erklären unser Anliegen mit Händen und Füßen. Alles klar, die Bewohner scheinen zu verstehen. Jedoch haben sie scheinbar kein E- Bike, sondern nur ein gutes, altes, knatterndes Motorrad. Sie versuchen jedoch den Sitz zu öffnen, denn ihrem Gebaren nach vermuten sie dort ein Ladegerät. Quatsch, denke ich, das hat der Vermieter natürlich im Laden behalten. Ist aber ohnehin egal, denn alle versuche den Sitzdeckel zu öffnen scheitern. Da lächeln sie alle und amüsieren sich über die Situation. Ich lächele zurück und wage den Versuch anzufragen, ob denn jemand aus der Familie uns mit dem Motorrad nach Shaxi fahren könnte, um dort den Akku zu holen. Ob meine Gesten mal wieder nicht verständlich sind oder die Anfrage als abwegig eingestuft wird, bleibt offen. Wir bedanken und verabschieden uns und ziehen weiter. Die weiteren Fragen nach einem Akkuladegerät lassen uns nur in kopfschüttelnde Gesichter blicken.
Ein Segen
Dann der Segen! Wir sehen einen Roller vor einem Hauseingang stehen, der gerade geladen wird. Ich klopfe an der Tür und sehe mich einem Mädchen gegenüber, dass scheinbar gerade mit dem kleinen Bruder alleine zu sein scheint. Nach komplizierten Versuchen, zu erklären, was wir möchten, bekommen wir ein erhellendes „Yes!“ zur Antwort. Wir stöpseln unserer Bike an und werden ins Haus gebeten.
Die Mutter, die kurz darauf hinzu kommt, betreibt im gleichen Raum einen kleinen Shop. Bei chinesischen Kitschmelodien aus dem Musikkanal des chinesischen TVs
kommunizieren wir mit Händen, Füßen, Bildern und Bruchstücken der englischen Sprache, die das Mädchen gerade in der Schule lernt. Und warten.
Alles ganz entspannt bis ein Mann hinzukommt, offenbar der Vater. Er scheint nicht erfreut, dass wir sein Ladegerät nutzen. Wohl nicht aus mangelnder Hilfsbereitschaft, sondern offenbar, weil es kaputt gehen kann. So jedenfalls deuten wir seinen Hinweis, dass das Gerät bereits ganz heiss gelaufen ist. Er verlässt uns kurz darauf wieder, jedoch nicht, bevor er „Sesam öffne Dich!“ mit unserer Sitzklappe spielt und unser eigenes Akkuladegerät hervor zaubert. Damit päppeln wir unser Zweirad noch ein wenig auf und lassen uns von unseren jungen Retterin in der Not noch kurz durchs Dorf führen, bevor wir gen Shaxi aufbrechen. War nix mit Fotos schiessen. Das holen wir dann am nächsten Tag nach beim zweiten, erfahrungsreicheren Ausflug mit dem E-Roller und leider nicht mehr ganz so gutem Licht.
Mal wieder das gute Essen
Natürlich kennt man uns nach einigen Tagen schon im Dorf, denn westliche Touristen fallen hier auf und bleiben vermutlich selten so lange, wie wir. Und so entwickeln wir natürlich unsere Rituale und wissen zudem wo es gut und lecker schmeckt. Unsere Stammverkäuferin für Würstchen und frische Pommes haben wir ebenso schnell gefunden, wie den Strassenhändler, der uns frische, klebrig, süsse, müsliartige Körnerbrocken verkauft.
Ein fantastisches und wirklich gutes Abendessen aber erleben wir gleich am Tag unserer Ankunft. Auf dem Marktplatz kommen wir mit einem jungen Mann aus Israel ins Gespräch, der der chinesischen Sprache mächtig und noch einige Wochen im Land unterwegs ist. Übrigens nicht der erste Traveller aus dem vorderasiatischen Staat. Wenn man bedenkt wie gering die Einwohnerzahl des Landes ist und diese ins Verhältnis zu den Massen an Israelis stellt, denen wir bereits in der Mongolei begegnet sind, sollte man meinen, der halbe Staat sei im Urlaub. Tatsächlich erfahren wir aber, dass es nicht ungewöhnlich ist nach der verpflichteten Militärlaufbahn, die Frauen und Männer gleichermaßen durchlaufen, eine längere Reise zu unternehmen. Und somit ist das Alter der Touristen relativ homogen, alle Anfang zwanzig, und auch die Reisezeit über mehrere Monat sehr gängig. Gemeinsam mit unserem neuen Bekannten, seiner Cousine und deren Mann, sowie einem weiteren Israeli gehen wir in ein kleines Lokal. Fantastisch, da wir alle Verantwortung an unseren israelischen Freund abgeben können, der munter ein Menü zusammenstellen und alles auf chinesisch mit den Betreibern regelt. Wir geniessen die Speisen später ganz traditionell: Verschiedene, sehr leckere Gerichte werden langsam, nach und nach an den Tisch gebracht und alle essen gemeinsam daran. Ein köstlicher und durchaus spannender Abend in sehr interessanter Gesellschaft.
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