Nǐ hǎo China – Gaumenfreuden und Gaumenbrecher

von Edith

Nǐ hǎo China

Das obligatorisch lange Prozedere der Pass- und Zollkontrolle liegt hinter uns, als wir gegen Mittag die mongolisch- chinesische Grenze überqueren und in Erlian ankommen. Ohne wirklich einen konkreten Plan darüber zu haben wie es weitergeht, besorgen wir uns erstmal Geld und eine chinesische SIM- Karte. Die ist nicht ganz unwichtig, da wir nun auf Zugfahrpläne zugreifen können. 20 Minuten später geht eine Bahn nach Hohhot. Ein Spurt mit dem Taxi zum Bahnhof, ein rasanter Ticketkauf und noch knapp 5 Minuten bis zur Abfahrt, als wir auch noch die Sicherheitsschleuse passieren müssen. Doch alle Eingänge zum Bahnsteig sind noch geschlossen. Die Reisenden sitzen entspannt in der Wartehalle. Es ist halb zwei, Abfahrtszeit. Die Züge haben hier eigentlich keine Verspätung. Also nochmal orientieren. Die Bahnhofsuhr zeigt 12.30 Uhr, aber falsch gestellte Uhren sind nicht ungewöhnlich. Ganz offenbar tickt aber nicht der Zeitmesser falsch, sondern wir. Meine Nachfrage bei einer Bahnhofsangestellten bestätigt, dass wir uns in einer anderen Zeitzone befinden als noch in der Mongolei. Ja, wir wissen, dass Zeitzonen nicht mit dem Lineal gezogen sind. Trotzdem scheint es irgendwie absurd, dass wir uns weiter nach Osten bewegen, uns zeitlich aber wieder dem Westen nähern.

Hohhot und Jiayuguan – sich in Chinas Städten trotzdem wohlfühlen

Wir wollen Natur, wir wollen Landschaft. China ist aber riesig und die Städte bilden nun einmal die Verkehrsknotenpunkte und Anlaufstellen, um bestimmte Ziele erreichen zu können. Uns schauert innerlich davor, uns hier aufhalten zu müssen.

Doch schon in Hohhot (der Verwaltungsbezirk umfasst schon fast 3 Millionen Einwohner) fühlen wir uns erstaunlich wohl. Jiayuguan ist kleiner, aber auch hier leben mittlerweile mit Sicherheit mehr als die zuletzt angegebene Wikipedia- Einwohnerzahl von 300 000 Menschen. Nicht die Schönheit der Stadt, sondern vielmehr das Leben in den Vierteln und kleineren Strassen gefällt uns. Nach dem zweiten Tag in Jiayuguan kennen uns die Händler in „unserem Viertel“ bereits. Das ist vermutlich nicht schwer, denn uns begegnet während unseres Aufenthaltes hier niemand, der auch nur annähernd wie ein westlicher Ausländer ausssieht. Obwohl wir die großen Städte gerne auslassen würden, sind sie ein guter Einstieg, um uns den Menschen und unserer neuen Umgebung anzunähern.

Gaumenfreude

Zugegeben, unser Wohlgefühl in den Städten ist in enger Verbindung damit zu sehen, dass wir einen großen Teil unser Zeit damit verbringen die kulinarischen Angebote aufzusaugen. Auf dem Strassenmarkt in Jiayuguan werden unsere olfaktorischen und visuellen Sinne zum ersten Mal herausgefordert. Er lässt nur erahnen, warum wir von verschiedenen Seiten über plötzliche Gewichtszunahme in China gehört haben. Leckereien aller Art werden hier geboten. Gegrillte Enten, gefüllte Teigtaschen, frische Nudeln, gegrillte und gekochte kleine Snacks jeglicher Art, köstliche Suppen und viel frisches Obst und Gemüse.

Nicht zuletzt finden wir hier wüstentypische Leckereien wie getrocknete Datteln oder Aprikosen. Dazu Nüsse, Mandeln und diverses Gut zum Knabbern. Fast wie auf einem marokkanischen Bazar. Eine Gaumenfreude sondergleichen. Den Erzählungen entsprechend scheint uns dieses Land zu entlohnen- nach einem Monat mongolischer Küche.

Die Große Mauer auf der Seidenstrasse

Jiayuguan in der Provinz Gansu liegt mitten in der Wüste. Im Hintergrund der Großstadt ragen hohe, schneebedeckte Berge gen Himmel, das sandig, steinige Faltgebirge im Vordergrund, umgeben von der schroffen Kargheit der Gobi. Der Jiayu-Pass (chinesisch Pinyin Jiāyù Guān, „Pass zum Gepriesenen Tal“) ist der erste Übergang am Westende der Chinesischen Mauer. Die Festung Jiayuguan ist an der Nordseite mit breiten Straßen verbunden, die zur Passhöhe hinaufführen. Das Bauwerk stammt ursprünglich aus dem 14. Jahrhundert in der frühen Ming-Dynastie und bildete mit der großen Mauer die alte Grenze des chinesischen Reiches.

Hier verläuft der östliche Part der Seidenstrasse über die Händler, Gelehrte und Armeen jahrhundertelang den beschwerlichen Weg zwischen der arabischen Welt und dem Großreich und umgekehrt von Osten nach Westen bestritten haben. Das mächtige, aber dennoch nicht überdimensionale Bauwerk der Festung Jiayuguan ist schlicht. Drei große Türme sind traditionell gestaltet und hübsch verziert. Die Festungsmauern hingegen sind einfache, aber stabile, sehr dicke Schutzmauern, die den inneren Bereich sichern. Das Fort ist an Nord- und Südseite mit der Großen Mauer verbunden.

Der südliche Teil der Mauer ist noch aus der Ming-Dynastie und liegt weit entfernt von dem, was man sich vielleicht unter der chinesischen Mauer vorstellt. Die Überreste eines Signalturms sind vielmehr ein großer Lehmknubbel. Die Mauer selbst eine ebenso schlichte Wand. Unspektakulär, aber authentisch. Spektakulär hingegen ist der Blick in die Schlucht, durch die sich unterhalb der Mauer der Fluss Taolei entlang schlängelt.

Weniger authentisch und dennoch gigantisch ist der restaurierte Teil der Mauer nördlich der Festung. Sie schlängelt sich durch eine wunderschöne Berglandschaft und bietet einen beeindruckenden Anblick. Zumindest in eine Richtung. Auf der gegenüberliegenden Seite fällt der Blick auf die Stadt Jiayuguan mit zahlreichen Hochhäusern, Schornsteinen und einer Smogglocke in der Leere der Gobi.

Chinesischer Tourismus

Wir befinden uns bereits ausserhalb der Hochsaison. Was wir erleben ist unser erster Einblick in den chinesischen Tourismus. Wir sind offenkundig die einzigen westlichen Besucher der Festung und der Mauer. Die Eintrittspreise sind exorbitant, das Gebiet weitläufig abgeriegelt. Mit Fähnchen bewaffnete Fremdenführer schleusen chinesische Touristengruppen durch das Areal. Souvenirstände und Attraktionen für Jung und Alt ziehen das Publikum magisch an. Nachgestellte Kampfspiele und Tänze locken ebenso, wie die menschengroßen Roboter, die geräuschvoll umherfahren. Phantasialand, meint Stephan. Abstrus, meine ich. Wenn man bedenkt, dass wir uns an einem Ort befinden, der auf einer Hochkultur basiert ist es irgendwie schon seltsam, wenn man erwachsene Menschen sieht, die sich für einen lebensgroßen Spielzeugroboter vom Jahrmarkt begeistern. Nun denn. Jedem das seine.

Über Gaumenbrecher und eine Hassliebe

Wir haben einige Menschen getroffen, die sagen: Man liebt oder man hasst China. Dazwischen gibt es nicht. China ist anders, ganz anders als die asiatischen Länder, die wir bisher bereist haben. Zudem potenziert sich hier die Zahl der rotzenden und rülpsenden Menschen und der Verkehrslärm. Neu ist der unglaubliche Smog, der über den Städten wie eine Dunstglocke hängt. Wenn wir aber eine Woche China Revue passieren lassen, fällt uns zuerst das Wort „Freundlichkeit“ ein. Der erste Eindruck dieser uns so fremden Welt ist absolut positiv. Die Menschen treten uns bisher fast ausschließlich hilfsbereit, neugierig und freundlich entgegen. Unsere Kommunikation gestaltet sich, bis auf seltene Ausnahmen, in Gestik und Mimik. Wobei wir feststellen, dass die uns geläufige Körpersprache hier häufig nicht verstanden zu werden scheint. Beweis genug für uns, wie andersartig diese Kultur ist. Wir versuchen natürlich das eine oder andere Wort auf Chinesisch zu lernen, aus Respekt, aber auch, weil es den Zugang zu den Menschen erleichtert. Es ist eine Sache, sich Fremdwörter zu merken, eine ganz andere aber, sie richtig auszusprechen. Zungen- und Gaumenbrecher sind die Regel. Alleine vom „Danke sagen“- Lernen habe ich schon einen Knoten in Zunge und Gaumenzäpfchen.

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3 Kommentare

Katharina Herudek 12. September 2016 - 11:23 pm

Hallo ihr zwei.
Toll was ihr alles erlebt!!! Es ist super interessant eure Berichte zu lesen oder die kurzen Filme anzuschauen. Meine Tante ( aus Köln) war auch vor kurzem in der Mongolei und war ganz begeistert. China, ja das glaub ich, das man es mag oder hasst. Ich wüsste nicht, was bei mir der Fall wäre. Zu China hab ich so garkeinen Zugang. Aber nichts desto trotz ist es interessant von euch zu lesen und ich freue mich auf neue Berichte.
Wir haben nächstes Wochenende Strassenweinfest und ich stelle meinen Schmuck mit Papa in der Vogtei aus. Daher ist viel vorzubereiten und die Zeit vergeht wie im Nu. Die Kinder genießen der verspäteten Sommer und wir gehen viel im Freibad schwimmen.
Ich hoffe es geht euch gut und ich schreib euch mal ne Mail ( hab vergessen, dass die Kommentare ja jeder lesen kann ). Seid ganz lieb von der Mosel gegrüßt. Eure Katharina, Pablo, Flora und Emil.

Antworten
Ralf Kabus 14. September 2016 - 7:25 am

Hallo Ihr beiden,

kann man euch auch Privat schreiben? Ich finde eure Berichte sehr spannende und gut gemacht, auch die Fotos sind mega!
Da möchte man fast schon mitkommen.

LG

Antworten
Edith 14. September 2016 - 8:18 am

Hallo Ralf,
Du kannst uns über das Kontaktformular erreichen, das findest Du im Footer unter „Kontakt“. Alternativ ist meine gmx- Adresse nach wie vor aktiv.
LG Edith

Antworten

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