Bis zum blutigen Ende – Zu Gast bei einem Stockkampf der Sasak auf Lombok

von Edith

Mit Halbwissen in den Kampf

Wir rutschen da recht spontan rein. Nur ein wenig Halbwissen aus der Lektüre des Reiseführers im Gepäck. Eine halbe Stunde vor Beginn sollen wir dort sein, um noch gute Plätze zu ergattern.

Und natürlich sind wir viel zu früh. Es herrscht gähnende Leere, als wir unsere Roller auf der grossen Wiese abstellen. Hohe Plastikplanen schirmen das Areal ab, in dessen Inneren uns aufregende Stunden erwarten. Die Economy-Class verwehrt man uns und so nehmen wir auf der, den VIP vorbehaltenen, Bambus-Tribüne Platz. Vor uns liegt die Wettkampfarena, abgegrenzt nur durch knapp über dem Boden gespannten Seilen. Die Spannung steigt. Ein Stockkampf der Sasak auf Lombok, auch Peresean genannt, liegt vor uns. Die folgenden sportlichen, mitreissenden, aber extrem brutalen Geschehnisse rücken jegliche unserer bisherigen Vorstellungen vom Stockkampf der Sasak in den Hintergrund.

Die Spannung steigt – Die Einstimmung auf den bevorstehenden Stockkampf

Die Musik setzt ein. Mitunter dramatisch begleitet die Kapelle das Geschehen mit einer Bambusflöte, Gongs und Trommelklängen. In Sarong und traditioneller Kopfbedeckung gekleidet tänzeln der Schiedsrichter und seine beiden Adjutanten in die Arena. Scheinbar willkürlich picken die beiden Helfer Zuschauer aus dem Publikum heraus, die die einleitenden Vorkämpfe des Turniers bestreiten und das Publikum in Stimmung versetzen.

Aber schon hier muss der junge, dynamische Medizinmann, der am Rand der Arena bereit steht, sein Können unter Beweis stellen. Da streift er extra die Latexhandschuhe über, um nach dem Kampf die Kopfwunde eines der Teilnehmer aus dem Publikum zu behandeln. Und rennt, die brennende Zigarette immer noch in der Hand, mit seinem Erste-Hilfe-Köfferchen zum Verletzen.

Die harten Jungs ziehen in den Stockkampf

Und dann kommen die harten Jungs. Zwei Teams. Je ein Kämpfer. Ausgestattet mit einem Sarong für die Hüfte und einem traditionellen Tuch um den Kopf herumgewickelt. Bewaffnet mit dem obligatorischen Kampfstock und Schild stellen sich die Männer im Stockkampf ihrem Gegner.

Die Pfeife des Schiris ertönt. Aus sicherer Distanz, taktisch klug abwägend, beäugen sich die Gegner. Und dreschen im nächsten Moment mit ihren harten Sticks erbarmungslos aufeinander ein. Wie Peitschenhiebe knallen die Schläge der Stöcke auf die nackte Haut der Kämpfer und lassen dem Publikum einen Schauer über den Rücken laufen. Klaffende, blutige Wunden zeichnen sich auf den nackten Körpern ab. Die Schmerzen müssen kaum auszuhalten sein.

Mit Stolz und Freude getragene Narben

Jede kurze Unterbrechung oder Pause im Stockkampf fördert ein nahezu puppenhaftes Grinsen auf die Gesichter der Stockkämpfer, dass noch einmal mehr zum Tragen kommt, wenn der schmerzhafte Stockhieb die Haut zum Platzen bringt.

Absurd und zugleich beeindruckend sind die rituellen Tänzelschritte, Hüpf- und Hüftschwungbewegungen im Einklang mit einem breiten Lachen. Schiedsrichter, Trainer und die Sportler selbst vollziehen diese Rituale während des gesamten Wettkampfes als Zeichen der Freude.

Ganz gleich, mit welcher Härte die Gegner aufeinander losgehen, ganz gleich, wie übel die Verletzungen sind, das schmerzverzehrte Grinsen bleibt. Und so aufgesetzt und gekünstelt es im schmerztrunkenen Augenblick erscheint, so echt wirkt der Spass und die Freude der Teilnehmer an dem Kampf. Stolz tragen die vorwiegend jungen Männer ihre mit Altnarben übersäten Oberkörper und die frischen, feucht-glänzenden Wunden zur Schau.

Da fliesst das grosse Geld

Je erbarmungsloser, aber ausgeglichener die Kämpfe, so spannender sind sie für das Publikum, das gebannt in die Arena blickt und enthusiastisch anfeuert. Die Kämpfer ihrerseits aber werden nicht nur durch den Beifall der Zuschauer belohnt.

Hochgradig motivierend wirken vermutlich auch die Geldscheine, die sich während der einzelnen Fights in der Mitte des Rings sammeln. Je begeisterter die Besucher den beiden Stockkämpfern folgen, je höher werden die Summen, die sich in den kurzen Pausen des Kampfes anhäufen, um den Spannungsbogen nicht sinken zu lassen. Ein Ansporn für beide Sportler, denn der Pott wird am Ende des Wettkampfes auf beide aufgeteilt.

Erbarmungslos fair – Mit gutem Beispiel voran

So abstossend ich diese Gewalt im Sport finde, so sehr ich mich winden möchte, wenn ich die Kämpfer mit aller Brutalität aufeinander losgehen sehe, so sehr fasziniert mich dieser Kampfsport.

Anders als bei vielen Sportarten, erlebe ich hier, neben der gesunden, sportlichen Rivalität, noch ein hohes Mass der gemeinsamen Freude am Sport. Der Respekt dem Kontrahenten und dem gegnerischen Team gegenüber und das Fair Play steht trotz der Härte im Kampf an oberster Stelle. Weder stehen Schiedsrichterentscheidungen in Frage, noch nehme ich auch nur annähernd Zeichen von Unmut, Ungerechtigkeitsempfinden oder gar Wut bei den Teilnehmern oder Zuschauern war. Im Gegenteil. Wenn die Kämpfer sich zum Ende ihres Fights in die Arme schliessen, wirkt diese Geste aufrichtig und herzlich. Hier kann jeder aggressive Spieler oder pöbelnde Fussballfan mal seinen Hut vor ziehen.

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INFOBOX – Der Stockkkampf der Sasak auf Lombok

Peresean ist der traditionelle Stockkampf der Sasak. Zur Ethnie der Sasak, die in Herkunft und Sprache mit den Balinesen verwandt sind, gehören über 80% der Bevölkerung auf der indonesischen Insel Lombok.

Der Stockkampf wird während eines zeremoniellen Kults der Sasak abgehalten, wobei die Götter der Natur gnädig gestimmt werden sollen. In heutiger Zeit findet er aber auch zu Feiertagen statt und ist darüber hinaus vielmehr zu einem beliebten Wettkampfsport geworden.

Zu jedem Stockkampf gehören ein Schild und ein Stock aus Rattan. Der Schild ist mit Rindshaut bespannt. Besonders Tatik und Schnelligkeit sind während der Fights gefragt. Ein Schiedsrichter (Pekembar) entscheidet über den Sieg.

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